Christiane Kotterer ist mit ihrer originellen Idee „Sailart Fashion“ zu einer erfolgreichen Unternehmerin geworden.
Von Axel Künkeler
Das 40 Quadratmeter große Lager von Sailart Fashion quillt fast über: Christiane Kotterer inmitten ihrer alten Segel und Futterstoffe. Aus alten Segeln entstehen zum Beispiel neue Jacken.
(Foto: Axel Künkeler)
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HEPPENHEIM - Aus ihrem Hobby Segeln und der Liebe zum Nähen hat Christiane Kotterer sich eine Existenz aufgebaut. 1999 gründete die gebürtige Heppenheimerin die Firma „Sailart Fashion“. Seit nunmehr zwanzig Jahren fertigt sie aus Segelstoffen modische Artikel wie Jacken, Taschen und Rucksäcke. Den heutigen, erst in den letzten zehn Jahren gewachsenen Trend des „Upcycling“ hat die 58-Jährige also frühzeitig mitgeprägt.
„Mit 31 Jahren wollte ich etwas Neues machen in meinem Leben“, erzählt Christiane Kotterer. In der Segelschule Bergstraße am Heppenheimer Bruchsee absolvierte sie ihren Segelschein, erwarb bald das erste eigene Segelboot, das am Waldsee in der Pfalz seinen Liegeplatz fand. Bei der dortigen Segelgemeinschaft kam die Heppenheimerin erstmals mit alten Segelstoffen in Berührung. Die nicht mehr gebrauchten Segel stapelten sich nutzlos in den Bootshäusern.
Nebenbei arbeitete die ausgebildete Röntgen-Assistentin im Stoffgeschäft „Hereinspaziert“ in der Fußgängerzone, gab dort sogar Nähkurse. Da kam schnell die Idee auf, beides miteinander zu verbinden, aus alten Segelstoffen wieder etwas Neues zu kreieren. Von der Idee bis zur Umsetzung war es dann nicht mehr weit. 1999 machte Christiane Kotterer sich selbständig, begann in einem Raum ihrer Wohnung im Stadtteil Erbach. „Die Arbeit breitete sich im ganzen Haushalt aus“, blickt sie schmunzelnd zurück.
AUFWERTEN ALS TREND
Upcycling liegt voll im Trend. Der Begriff wurde 1994 vom deutschen Ingenieur und Unternehmer Reiner Pilz geprägt. Im Gegensatz zum Recycling, bei dem aus Abfallprodukten wieder die Rohstoffe gewonnen werden, steht der Begriff für eine Aufwertung (engl. up) gebrauchter Gegenstände.
Der Wunsch nach Individualität und Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren in unserer Wegwerfgesellschaft einen regelrechten (Mode-)Trend entstehen lassen. So werden Wohn- und Gartenmöbel aus alten Paletten, Rucksäcke aus abgetragenen Jeans oder Blumen-Töpfe aus Gummistiefeln kreiert.
Das Firmenjubiläum feiert Christiane Kotterer am letzten Oktober-Wochenende (25./26.) in ihrem Ladengeschäft in der Starkenburg-Passage. Zu den regulären Öffnungszeiten am Freitag von 14 bis 18.30 Uhr und Samstag von 10 bis 14 Uhr gibt es einen Jubiläumsverkauf mit zehn Prozent Rabatt. (ax)
Die ersten Stoffe bekam sie von der SG Waldsee sowie von Seglern, die sie bei Regatten traf. Auf der Textilmesse Frankfurt knüpfte sie zudem Kontakte zu Polartec, einer amerikanischen Firma für Fleece- und andere Futterstoffe. Zudem besorgte sie sich Membranstoffe, da Segel nicht wasserdicht sind. Ihre erste eigene Segel-Jacke trägt Christiane Kotterer noch heute, modisch zeitlos und vom Material beständig. „Vor zwanzig Jahren bin ich ausgelacht und als Verrückte bezeichnet worden“, erinnert sich die Heppenheimerin an ihre Anfänge. Doch schnell fand ihr Angebot Zuspruch, nicht nur in Seglerkreisen. Da gab es den Wunsch nach einer Jacke aus dem eigenen Segel („Kleider, die eine Geschichte erzählen“), aber auch Leute, die etwas Ausgefallenes suchen. „Es sind alles Unikate“, bestätigt Kotterer, dass keine Jacke aussieht wie die andere.
Schnell wurde die eigene Wohnung zu klein, auf der gegenüberliegenden Straßenseite Räume angemietet. Als die Vermieterin 2013 ihren Hof aufgab, mussten erneut größere Räume gesucht werden. In einem alten Gebäude in Fischweiher, direkt an der B 460 verkehrsgünstig gelegen, wurde bald ein neues Domizil gefunden. Zudem hat Christiane Kotterer vor wenigen Jahren ein Ladengeschäft in der Starkenburg-Passage gemietet, das an den Wochenenden geöffnet ist.
In Fischweiher hat sie ihre Werkstatt, in der ihre Mitarbeiterin Anja Silber, eine Industrie-Näherin, „akkurat und flott“ die Produkte von „Sailart Fashion“ näht. Für die Materialauswahl und die Zuschnitte ist die Chefin zuständig. „Das Design entsteht in meinen Kopf, das ist meine Handschrift“, sagt Kotterer. Und damit hat sie Erfolg: 800 Jacken und 150 Westen, 120 Taschen sowie 80 Rucksäcke hat sie in 20 Jahren geschaffen. Dazu kommen Spezialanfertigungen wie etwa ein Dirndl aus Segelstoff.
Neben Werkstatt und Büro quillt das Lager fast über von alten Segeln, Fleece- und weiteren Futterstoffen. „Im Moment habe ich mir mal einen Einkaufsstopp auferlegt“, sagt die vor Elan sprühende Frau mit einem Lächeln. „Alte Segel sind inzwischen ein Markt“, erläutert sie. Doch als Seglerin habe sie ihre Bezugsquellen. Und weil sie Membranen verarbeitet, auch etliche Abnehmer. Ihre Kundschaft findet sie in der Region und auf Messen und Ausstellungen im Umkreis von gut hundert Kilometern sowie bei Regatten in Schleswig-Holstein oder an den bayrischen Seen.
Zudem hat sie einen eigenen Web-Shop, nimmt auch Online-Bestellungen entgegen. Und weil ihre Kunden nicht allein Segler sind, sondern viele „Menschen mit Lebensfreude“, blickt die Trendsetterin des Upcycling zuversichtlich voraus.