Der rollende Wahnsinn: Mit dem Narrenbus durch Heppenheim
Fastnacht total. Eine Narrenschar geht mit dem Bus auf Tour, um andere Narren zu treffen. Trillerpfeifen, Kreiselgaudi und ein kleiner Striptease inklusive.
Von Astrid Wagner
Stadtpiratin auf großer Fahrt: Schirmherrin Christine Bender tourt in der Fastnachtszeit mit ihrem närrischen Gefolge von Sitzung zu Sitzung.
(Foto: Sascha Lotz)
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HEPPENHEIM - „Fahr da mal mit“, haben sie gesagt. „Das macht Spaß!“ Gemeint sind die Fahrten an Fastnacht mit dem Bus, in dem Frau Zugmarschall Barbara Schaab, Schirmherrin Christine die Stadtpiratin alias Erste Stadträtin Christine Bender und der Musikzug Starkenburg samt Zugkomitee von Fastnachtssitzung zu Fastnachtssitzung fahren.
Samstag, 19.11 Uhr, am Feuerwehrstützpunkt Heppenheim. Der Bus füllt sich. So ungefähr muss man sich fühlen, wenn man zur Hauptverkehrszeit in Tokio U-Bahn fährt. Endlich sind alle da, darunter allein 30 Musiker. Trommler Jochen pustet in die Trillerpfeife. So geht das den ganzen Abend über: Sobald Jochen denkt, dass alle an Bord sind, kommt der Pfiff, damit niemand auf der Strecke bleibt. Andreas Rittinger ist der Chef des Musikzugs und mit Leib und Seele bei der Sache. Er ist zu Recht stolz. „Wir haben Einladungen aus aller Welt.“ Qualität spricht sich eben rum. Die närrischen Passagiere ergattern entweder einen Sitzplatz oder halten sich fest, wo immer es geht: an den Halteschlaufen oder am Nebenmann. Umfallen kann man sowieso nicht. Es ist zu eng.
Die Musiker spielen, die Mitfahrer grölen
19.22 Uhr. Abfahrt zur Habafa. Doch der Bus fährt auf der Bürgermeister-Kunz-Straße erst einmal in die entgegengesetzte Richtung. Alle wissen, was jetzt kommt: Dreimal geht’s in wilder Fahrt um den Kreisel, alles johlt und kreischt. Dann weiter über die Brücke zum Nordstadtkreisel. Und wieder geht es rund: Einmal, zweimal, dreimal… „Die Musiker spielen „Jesses, jesses, jesses noa“, die Mitfahrer grölen mit. Doch bei Busfahrer Bruno Steckel fühlt man sich sicher wie in Abrahams Schoß.
Minuten später. In der Hambacher Schlossberghalle tanzen noch die Gardemädchen. Es heißt warten. Barbara Schaab tritt von einem Bein aufs andere. Ein bisschen aufgeregt sei sie auch im 14. und letzten Jahr im Amt noch. „Es kribbelt, aber das gehört dazu.“ Christine Bender strahlt. Dann ist es so weit: Die Mannschaft entert die Habafa-Bühne. „Hoffentlich werden nicht wieder Gräber ausgehoben“, scherzt Bender im Dialog mit Sitzungspräsident Jan Ohlhauser.
20.35 Uhr. Drin geht die Party weiter. Draußen klettert der Tross die Treppen zur Wasserschöpp wieder bergab. „Ich muss mal“, rufen einige und bleiben zurück. Jochen pfeift noch nicht. Minuten später: Das Narrenschiff setzt Segel und nimmt wieder Fahrt auf. Auf der B3 geht es so richtig ab mit „Dancing Queen“, der Musikzug legt sich ins Zeug, der Rest tanzt und singt mit. Es folgt ein Hit nach dem anderen, ein Partybus ist nichts dagegen. Flugs die Lehrstraße hoch. Die Blicke der Passanten, während der wankende Bus an der roten Ampel hält – unbezahlbar.
Nächster Halt: Kolpingfastnacht, „Gossini“. Neue Späßchen, lustige Verschen von Sitzungspräsident Friedel Frank. „Ausnahmsweise würden die Männer an Fastnacht nach der Pfeife der Frauen tanzen.“ Na ja, er kennt wohl Jochen nicht. Auch Sabine Meyer ist an Bord. Die Tochter von Barbara Schaab lässt sich Mamas letzte Kampagne nicht entgehen. „Bei uns herrschte in den letzten 14 Jahren in den Fastnachtswochen immer Ausnahmezustand“, erzählt sie. Wehmut schwingt mit.
21.22 Uhr. „Viva Colonia“ ertönt es im Bus. Dann ein Medley an Weihnachtsliedern. 21.55 Uhr: Die Crew ankert in Wald-Erlenbach. Mit blutigem Säbel werden Sitzungspräsident Bastian Wolf und sein Elferrat dazu verdonnert, beim Umzug mitzulaufen. „Ach, werde ich diese Küsse vermissen“ seufzt Wolf beim Abschied von Schaab.
Zurück in den Bus. Die Zwillinge Domenik und Luis (8 Jahre) sind immer noch fit, ebenso Elena (9) und Jasmin (11). „Wir sind gar nicht müde“, versichern die Mädels und naschen Gummibärchen. Der älteste Musiker ist Rainer Kalkuhl – 67 Jahre ist er alt: „Ich spiele seit 1969 beim Musikzug und bin von Anfang bei jeder Schirmherrentour an Bord!“
22.44 Uhr: Auf der Kirschhäuser Alm feiert die SVK-Jugend eine Oscar-Nacht. Frau Zugmarschall sorgt hier mit einem kleinen Striptease für Furore. Unter der Piratenbluse trägt sie das blaue Shirt der Närrischen Jugend Kirschhausen. „Das hab ich letztes Jahr versprochen“, lacht sie. Die Stimmung im Saal kocht.
Auf dem Rückweg beweist Fahrer Steckel, dass man auch zehnmal um den Nordstadtkreisel fahren kann – beim achten Mal schreien die ersten: „Es reicht!“ Der Seegang ist heftig. Die anderen halten dagegen: „Weiter!“ Zurück am Stützpunkt, ist Mitternacht vorbei.