Absolventen der Artistenschule bei den Gassensensationen
Mit „Spin!“ zeigen die Absolventen der Staatlichen Artistenschule bei den Gassensensationen, was sie in ihrer Ausbildung gelernt haben. Viele gehen schon mit zehn Jahren auf die Schule.
Von Jürgen Reinhardt
Saltos, Pirouetten und Luftakrobatik: Die acht jungen Artisten aus Berlin präsentieren ihre Abschluss-Show bei den Gassensensationen in Heppenheim.
(Foto: Arne Schumacher)
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HEPPENHEIM - Gassensensationen statt Abi-Sturm: An der Staatlichen Artistenschule Berlin schlagen die Uhren anders, hier wird die Reife nicht nur in den Abschlussarbeiten, sondern in aller Öffentlichkeit unter Beweis gestellt. So wie am Donnerstagabend auf der Freilichtbühne Heppenheims, als einer der Höhepunkte des Straßentheaterfestivals, das am Samstag zu Ende geht. Mit Sicherheit ein Erlebnis für die Absolventen dieser außergewöhnlichen Schule – nicht zuletzt aber auch für die vielen Zuschauer, die einen Platz im weiten Rund der zu etwa zwei Dritteln gefüllten Kappel ergattert hatten und den Abend unter tiefhängenden Wolken wider Erwarten trocken hinter sich bringen konnten.
Es war ein Spiel mit der Schwerkraft, das den Zuschauern geboten wurde: Sich blitzschnell drehende Hula-Hoop-Reifen, durch die Luft fliegende Diabolos, wirbelnde Keulen, Artisten an Ringen und Bändern, Salti schlagende Akrobaten, Pirouetten drehende Tänzer. „Spin!“ ist der Titel der inzwischen 15. Show der Artistenschule, mit der diesmal der Absolventen-Jahrgang 2019 den Schritt von der Ausbildung ins Berufsleben macht.
Die gesamte Bandbreite der Zirkusdisziplinen
Zwei junge Frauen und sechs junge Männer haben ihr Programm unter der Regie von Karl-Heinz Helmschrot in den vergangenen Monaten einstudiert und zeigten auf der Freilichtbühne die gesamte Bandbreite der artistischen Disziplinen, die in Berlin gelehrt werden. Seit über 60 Jahren werden an der „Staatlichen Artistenschule Berlin“ körperlich und künstlerisch talentierte Jugendliche zu staatlich geprüften Artisten ausgebildet. Ein für Deutschland einmaliges Bildungsangebot.
STAATLICHE ARTISTENSCHULE
An der Staatlichen Artistenschule Berlin werden künftige Artisten für die großen Varietés und Zirkusse ausgebildet. Die professionelle Ausbildung beginnt im Alter von 10 Jahren und wird mit Berufsabschluss und Abitur oder Fachhochschulreife beendet. Ein Ausbildungsbeginn ist für artistisch begabte Kinder oder Jugendliche auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Die kostenfreie Ausbildung steht allen internationalen Bewerbern offen.
Kontakt: Verein zur Förderung von Artistik und Ausbildung an der Schule für Artistik Berlin e.V., Erich-Weinert-Straße 103, 10409 Berlin. E-Mail: info@foerderverein-allez-hopp.de; Internet: www.foerderverein-allez-hopp. de (jr)
2005 ging erstmals eine Absolventenklasse mit einer selbst erarbeiteten Show („Hut ab!“) auf eine bundesweite Tournee und durfte sich einem breiteren Publikum präsentieren. 2008 hatten die Absolventen ihre Auslandspremiere, und zwar in London. Auftritte gab es inzwischen auch in der Schweiz. Vor allem aber in Deutschland sind die Berliner mit ihren jährlich wechselnden Programmen unterwegs, beispielsweise im berühmten Schmidt-Theater in Hamburg. Schon jetzt ist die Gastspielreise 2019 mit 45 „Spin!“-Shows an 33 Spielorten die erfolgreichste Absolventenshow, die es bislang gab.
Auch in Heppenheim ging das Publikum eifrig mit, klatschte im Takt, spendete immer wieder Applaus, auch für die das Programm auflockernden amüsanten Clownerien und die Musik. Ein Stück Anerkennung für eine Leistung, die Respekt abverlangte und für die Zukunft dieser Talente hoffen lässt. Von denen das eine oder andere vielleicht irgendwann zu den Gassensensationen zurückkehrt, um dann im Soloprogramm oder mit anderen Künstlern zusammen das Festival zu bereichern.
Dass dieses auch davon anhängig ist, dass es vom Publikum mitgetragen wird, darauf machte der Vorsitzende des Fördervereins der Gassensensationen, Bernhard Schwab, in der Begrüßung deutlich. Denn auch wenn Stadt und Sponsoren ihren Teil zur Finanzierung beitragen und vor allem der Förderverein (der es 2011 geschafft hat, die 1000-Mitglieder-Grenze zu knacken) das Festival trägt, werden nach wie vor Unterstützer, vorzugsweise Neumitglieder gebraucht, um Planungssicherheit zu schaffen. Denn, wie Schwab sagt: „Nach dem Festival ist vor dem Festival“. Mit 18 Euro jährlich ist man dabei: ein vergleichsweise bescheidener Betrag für eine Vier-Tage-Veranstaltung, die problemlos mit anderen Straßentheaterfestivals mithalten kann und von Anfang an auf Eintrittsgeld verzichtet hat. 1993 wurden die ersten Gassensensationen veranstaltet und gleich begeistert aufgenommen, 2017 stand das 25-jährige Jubiläum an, und inzwischen sind es in jedem Jahr um 30 000 Gäste, die sich auf den Weg in die Altstadt machen.