Das Schauspiel Frankfurt startet mit Eugene O’Neills fast vergessenem Frühwerk „Der haarige Affe“ in die neue Saison. Der Zusammenprall zweier Kulturen ist durchaus unterhaltsam.
Von Jens Frederiksen
Yuppie-Braut Luana Velis bringt Yanks Leben komplett durcheinander.
(Foto: Arno Declair)
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FRANKFURT - Da steht den Theatern ein Dramenschatz von seltenem Formenreichtum zur Verfügung – und sie bedienen sich kaum. Eugene O’Neill (1888 - 1953), Amerikas bis heute größter Bühnenautor, hat gut 20 abendfüllende Stücke geschrieben – und dem Publikum wird immer nur ein einziges gezeigt: das düstere Familienpsychogramm „Eines langen Tages Reise in die Nacht“. Doch unerwartet kommt Bewegung ins starre Programmdenken. Nachdem in der vergangenen Saison schon Regie-Wüterich Frank Castorf am Hamburger Schauspielhaus die Schiffsheizer-Tragödie „Der haarige Affe“ aus dem Jahre 1921 mit Schnipseln aus anderen frühen O’Neill-Stücken zu einer Fünfeinhalb-Stunden-Collage verklebte, hat das Schauspiel Frankfurt jetzt mit ebendiesem Stück in einer Version ohne ablenkende Beigaben seine neue Spielzeit eröffnet.
Regisseur Thomas Dannemann hat zwar ebenfalls in Figurenaufstellung und Szenenabfolge eingegriffen, hat sich vor allem mit der neuen Übersetzung des Leipziger Erzählers und vormaligen Mainzer Stadtschreibers Clemens Meyer einen Text besorgt, der zwischen bildungssatten Kalauern und gegenwartsgierigen Geistreicheleien denkbar weit von O’Neills proletarischen Wortzergliederungen entfernt bleibt.
„Der haarige Affe“ ist eine Geschichte aus dem Vorhof der Hölle. Der kohlenschaufelnde Riesenkerl Yank, unangefochtener Herrscher im Maschinenraum eines Ozeandampfers, gerät durch die Begegnung mit einem Mädchen vom Oberdeck völlig aus dem Tritt. Nach einer irren Odyssee landet er schließlich im New Yorker Zoo, wo er von einem Gorilla zermalmt wird.
Vier der acht Bilder von O’Neills Stück spielen auf dem Ozeanliner, der seine Heimstatt ist – und das erste davon gleich im dampfgesättigten Kesselraum. In Frankfurt hingegen geht der Blick des zu zwei Seiten um das Spielareal herumgruppierten Publikums erstmal aufs Oberdeck: Eine Dame mit blondem Zopf und violetter Bluse (Katharina Linder) bereitet uns mit voyeuristischen Anmerkungen auf das vor, was im Bauch des Schiffes wartet: wüste Kerle in qualvoller Enge. Mit dieser Figur einer süffisanten Erzählerin sorgen die Frankfurter für Distanz zum Geschehen, führen einen Brecht’schen Zeige-Duktus in O’Neills Identifikationsdramatik ein. Notwendig ist das nicht.
Darauf zeigt die angeblich marode Frankfurter Bühnentechnik, was sie immer noch kann: Das Promenadendeck fährt in die Höhe; es kommt ein Zwischendeck mit rauflustigen Heizern und drei Schlagzeugern zum Vorschein, die für Maschinenlärm der Extraklasse sorgen; und noch ein Stockwerk tiefer wohnt, zwischen Kohlehaufen und Steuerungsrädern, der grüblerische Vorarbeiter Yank.
Der nun aber ist bei André Meyer die Überraschung des Abends: Während um ihn herum nur Aggressivität und Aufgeregtheit herrschen, ist er ein Ausbund an Ruhe. Bei der Begegnung mit dem Mädchen vom Oberdeck freilich – in Frankfurt bei Luana Velis eine etwas geziert über die Klassenschranken hinwegplappernde Yuppie-Braut – gefriert er minutenlang mit erhobener Kohlenschaufel zum ungläubigen Schlagtot. Und fortan ist alles anders. Nach der Pause geht’s dann schnell. Zwei der vier Szenen der Stückvorlage sind gestrichen. Einen Amoklauf auf der Fifth Avenue verlegen die Frankfurter ins Hier und Heute, aktualisieren ihn zum Konflikt um ein Selfie. Eine Gewerkschaftsszene fehlt ganz. Und eine Gefängnissequenz senken Regisseur Dannemeier und sein Team in das Schlussbild im Affenhaus ein. Für die Rolle des Gorillas muss Nils Kreutinger in ein leidlich realistisches Ganzkörperkostüm schlüpfen. Und der Frankfurter Yank stirbt in seinen Pranken wie nach einer Umarmung. Das alles gerät nicht nur bei den Schlagzeug- und Rap-Einlagen laut bis an die Schmerzgrenze und in den Rauf- und Klageszenen manchmal gleichförmig bis zur Monotonie.