Theater Lakritz spielt „Die 39 Stufen“ als Parodie
Von Charlotte Martin
Agenten unter sich: Szene aus dem parodistischen Spionagethriller „Die 39 Stufen“. Foto: Michèle Honsa
( Foto: Michèle Honsa)
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DARMSTADT - Es war eine turbulente, temporeiche und überaus vergnügliche Inszenierung der Theaterbearbeitung von Alfred Hitchcocks Spionagefilm „Die 39 Stufen“, die am Samstag im Mollerhaus zu sehen war: Die Gäste der gut besuchten Premiere waren begeistert.
Regisseurin Julia Lehn vom Theater Lakritz hat mit dem Ensemble ihres Schauspielkurses den Spionagekrimi, der 1915 als Buch von John Buchan erschien, bevor er 1935 verfilmt wurde, als heitere Parodie auf die Bühne gebracht. Umrahmt von Geige, Akkordeon und Schlagzeug (Helen Mannert, Wolfram Cuntz und Markus Ries) wurde die rasante Handlung musikalisch verstärkt. Dies verlieh der Flucht des Helden Richard Hannay (Anna Lehn), sowie der holprigen Jagd seiner Verfolger, eine zusätzlich groteske Note, gewann teils besten Stummfilmcharakter. Brillant war das gesamte, siebenköpfige Frauenensemble in wechselnden Rollen, köstlich war die Darstellung der dummdreisten Polizisten und der tölpischen Spione: Immer wieder gab es lautes Gelächter im Publikum.
Angeödet von der krisengeschüttelten Londoner Gesellschaft seiner Zeit, stellte sich Richard Hannay als lebenssatter Junggeselle vor: „Ich sage mir: Hannay, du musst was Triviales tun, irgendwas, wobei du nicht denken musst. Geh ins Theater.“ Dieser blasierte Bursche war wahrhaft zum Lachen. Anna Lehn spielte den Dandy, der der Gerechtigkeit hinterherjagt, um seinen eigenen Kopf zu retten, ausgezeichnet. Sie karikierte ihn als rundlichen, eitlen Lebemann und versah die Rolle detailreich: Die Zigarette kühn im Mundwinkel, gelang es ihm doch nie, den Glimmstengel zu entzünden.
THEATER LAKRITZ
Die Inszenierung des Spionagekrimis „Die 39 Stufen“ vom Theater Lakritz ist im Mollerhaus erneut am Sonntag, 19. August, um 18 Uhr zu sehen.
Ein neuer Schauspielkurs für Erwachsene „FSK25“ startet am 10. September. Mehr unter www.theaterlakritz.com. (lot)
Überhaupt: Die Darstellerinnen aller Rollen überzeugten, verliehen den männlichen Typen vom Boss der Spione (Elke Sieger) bis zum Polizisten (Ieda Melo) eine schräge Note. In einer der Frauenrollen war Stephanie Costantino als Agentin Annabella zu erleben, die sich kokett diplomatisch unter die Fittiche von Hannay begibt und ihn in den Strudel des Abenteuers reißt: Kaum hat der Gentleman ihr ein Nachtlager als Schutz vor Verfolgern geboten, liegt sie mausetot auf seinem Kanapee. Fatale Sache!
Wie nun die Unschuld beweisen? Hinweise auf den Kern des Spionagerings in Schottland bringen Schwung in Hannays tristes Dasein – Flucht und Fahndung beginnen, flott rollen und springen die Darsteller in Zeitlupe von Kistendächern aufs Bühnenparkett.
Lora Seel gibt als Pamela die zweite zentrale Frauenfigur ab. Als Zufallsbekanntschaft im Zug drückt Hannay der Überrumpelten einen Kuss auf, um in alberner Pose des Liebhabers seine Häscher loszuwerden. Pamela freilich findet sich in grotesker Verstrickung emotional und faktisch bald an den Abenteurer gekettet: Die Handschellen des Ehebündnisses schnappen zu. Hanebüchene Verfolgung, ausgefuchste Dialoge mit Pistolenfuchteln, garniert von Liebesgeflüster, treiben die abstruse Geschichte voran.
Einfache Requisiten auf der Bühne, wo weiße und schwarze Pappwürfel von den ebenfalls schwarz-weiß ausstaffierten Darstellern auf- und umgeschichtet werden, um sowohl Sofa wie Dachfirst und schottische Höhen zu skizzieren, werden durch Schattenspiel ergänzt.
Nicht nur Erzählerin Nele Hoffmann taucht schemenhaft hinterm Vorhang auf, da tuckert auch eine Spielzeugeisenbahn zur rhythmischen Musik im Kreis herum, und ein Strichmännchen alias Hannay rast urkomisch über die schottische Landkarte. Originell hat Regisseurin Julia Lehn den Krimi zur vergnüglichen Posse umgemodelt, die bisweilen erheiternden Anklang an Kästners Emil und die Detektive hat. Nicht umsonst hat „Theater Lakritz“ ja auch als Kindertheater einen guten Namen.