Es geht dem jungen Team von „Theater INC.“ in Darmstadt nicht um Texttreue, sondern um die Thematik, die in einem Stück steckt: bei „Frühlings Erwachen“ um Tabus und Sexualität.
AUFFÜHRUNG
„Frühlings Erwachen“ nach Frank Wedekind, am 8. September um 20 Uhr, am 9. September um 18 Uhr im Theater Mollerhaus in Darmstadt. (bbeg)
DARMSTADT - Marvin Heppenheimer ist im besten Sinne vom Theatervirus befallen. Seit dem Abi dreht sich alles um die Bretter, die möglicherweise seine Zukunft bedeuten. Gerade macht er am Staatstheater in Darmstadt Regie-Hospitanz, mit der von ihm initiierten Gruppe „Theater INC.“ ist er Mitglied der Freien Szene Darmstadt. In deren Spielstätte, dem Mollerhaus, wurde gerade das erste Stück aufgeführt, „Animal Farm“, bereits eine Woche später folgt „Frühlings Erwachen“.
Ziemlich produktiv also, die Truppe, und Marvin Heppenheimer ist Regisseur und Schauspieler zugleich. Der Name „Theater INC.“ meint nicht inklusives Theater, sondern steht für das geschäftliche Incorporate, den Eintrag einer Körperschaft. „Und so verstehen wir uns auch“, sagt Marvin im Gespräch, „als Zusammenschluss einzelner Theatermacher, als Pool, aus dem man schöpfen kann, je nachdem, was die Aufführung erfordert und je nach Zeitreserven der Spielerinnen und Spieler.“
Eigentlich gibt es gerade in Darmstadt schon eine ganze Menge Theatergruppen. Aber Marvin wollte seine eigenen Ideen verwirklichen und auch eine zentrale Stellung in der Gruppe haben, künstlerischer Leiter sein. „Wir legen vor allem alte Stücke neu auf.“ Für „Animal Farm“ und „Frühlings Erwachen“ hat er den Text komplett verändert. Es geht dem jungen Team nicht um Texttreue, sondern um die Thematik, die in einem Stück steckt. Dafür entkernt Marvin die Stücke, der historische Kontext spielt keine Rolle mehr. Bei Orwell stellt sich, hoch aktuell, die Frage nach der Beziehung zwischen Mensch und Tier und die Frage nach Herrschaft und Macht. Bei „Frühlings Erwachen“ stehen Tabus und Sexualität im Vordergrund. „Auch dieses Stück von 1891 ist aktuell, denn über Sexualität wird heute noch nicht offen gesprochen, nicht zwischen Eltern und Kindern, nicht in der Öffentlichkeit. Und dies in queeren Zeiten.“
Eine kleine Umfrage im eigenen Umfeld ergab, dass die Themen Suizid und Vergewaltigung den meisten am wichtigsten waren. Das, so Marvin, habe er in der Bearbeitung von Wedekinds Drama berücksichtigt. „Bei uns kommen die Dinge zur Sprache, Dinge werden beim Namen genannt, aber nicht platt und vordergründig.“ Er findet, dass Theater ergreifen muss. Starke Emotionalität könne choreografisch verstärkt werden durch das wichtige Element der Musik.
Heppenheimer kennt seine Grenzen. Er spielt leidenschaftlich gerne, aber ob er in der großen Schar junger Schauspieler gut genug ist? Er will lieber Regie studieren, im Anschluss an seine Hospitanz. Für „Frühlings Erwachen“ mussten kurzfristig noch ein paar Änderungen vorgenommen werden. Melchiors Tagebuch gerät dem Protagonisten in die Hände. Er liest darin und gerät immer mehr in den Bann der Notizen. Marvin steht allein auf der Bühne – sieht das aber ganz entspannt. Und allein sei er auch nicht, sagt er, der Sounddesigner Paul Hupfeld und das tolle Bühnenbild von Zahra Abdul würden ihn bestens unterstützen.