Probenbesuch: Darmstädter Theaterlabor bringt junge und alte Menschen auf der Bühne zusammen
Von Johannes Breckner
Redaktionsleiter Bergsträßer Echo
Generationen-Interview beim Kaffeekränzchen: Szene aus "Ich Du Wir - von A bis Z", der neuen Produktion der Darmstädter Gruppe "Theaterlabor Inc.". Foto: Guido Schiek
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DARMSTADT - Man kann nicht vorsichtig genug sein. "Und danach gibt es Kaffee und Kuchen", ruft Nadja Soukup. Aus dem Senioren-Ensemble kommt die kritische Nachfrage: "Echt oder Attrappe?" Bei den Proben wurde das Kuchenessen nämlich nur markiert, und auch die Kaffeekannen mussten hinterher nicht gespült werden. Bei der Premiere von "Ich Du Wir - von A bis Z" an diesem Mittwoch soll das anders sein. Die jüngste Aktion der Darmstädter Gruppe "Theaterlabor Inc." nennt sich ein wenig sperrig ja auch "Sonntagnachmittags-Kaffee-Tänzchen-Flashmob". Unter der künstlerischen Leitung von Nadja Soukup treffen unterschiedliche Generationen aufeinander, rund 45 Menschen zwischen 14 und 95 sind beteiligt. Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Arheilgen und der Alice-Eleonoren-Schule stehen gemeinsam mit Bewohnern der Seniorenresidenz Fiedlersee im Theater Mollerhaus auf der Bühne.
Gemeinsam haben sie sich die Frage nach dem Buch des Lebens gestellt, nach Erinnerungen und Erwartungen, nach dem Blick in die Zukunft und in die Vergangenheit. Das Ergebnis ist keine ausformulierte Analyse, sondern eine Sammlung von Schlaglichtern. Vor allem die alten Menschen kommen mit ihren Erinnerungen zu Wort, Kriegskinder sind sie alle. Sie erinnern sich an weite Schulwege, an die Bedrohung des Lebens, an prominente Freundinnen wie die Sängerin Erika Köth, mit der Elfriede Dienst aufgewachsen ist und die ihr im Poesiealbum einen guten Rat hinterlassen hat: "Wenn dir das Leben gibt einen Puff, / dann weine keine Träne. / Lach dir nen Ast und setz dich druff, / und baumle mit de Beene." Solchen Optimismus konnten die Menschen dieser Generation wohl alle gut vertragen. Und wenn man sie nach ihrer ersten Liebe fragt, wird oft vom Tanzen erzählt - Bälle waren die besten Gelegenheiten, Bekanntschaften zu schließen, aus denen mehr werden konnte. Daran denkt man, wenn die Jugendlichen auf dem Büchnerplatz vor dem Mollerhaus ihren Flashmob tanzen, zum "Jailhouse Rock", der vielleicht die heute Alten in ihrer Jugend begleitet hat. Danach werden die Besucher eingeteilt in drei Gruppen. Nein, Pflegestufen, soviel Sarkasmus darf sein. Wer Pflegestufe drei erwischt, wird ums Mollerhaus herumgeführt, vorbei an einem Fitnessrad, das ewige Jugend verspricht, vielleicht deshalb, weil verrenkte Barbiepuppen an den Pedalen baumeln. Im Mollerhaus-Garten sitzt ein Orakel, das nur Frauenfragen beantwortet und einen fürsorglichen, aber hässlichen Mann verspricht. Drinnen ist wieder die Jugend an der Reihe, Stadtteilschüler bewegen sich choreografiert um die Bilder ihrer eigenen Ausstellung - sie haben Selbstporträts so bearbeitet, wie sie sich in Zukunft sehen werden. Im Foyer sitzen unterdessen die Darstellersenioren mit Erinnerungsstücken, bevor eine Kaffeerunde aus jungen und alten Darstellern die Generationen in Frage und Antwort verbindet. 624 Lebensjahre sitzen gemeinsam am Tisch. Mal wird gemeinsam "Lili Marleen" gesungen, dann der Sinnspruch vom "Veilchen im Moose" zitiert, wobei sich Debatten über den genauen Wortlaut entzünden. Heißt es in der zweiten Zeile sittsam oder einfach? Für die jungen Zuhörer wird das so fremd klingen wie das Kommando "Ellenbogen vom Tisch!" Aber wenn zwei von ihnen draufklettern, um Rock'n'Roll zu tanzen, sieht das so wohlerzogen aus, dass auch die alten Herrschaften noch freundlich bleiben. Bei der Premiere gibt es ja auch richtigen Kuchen.
TERMINE
Vorstellungen am Mittwoch, 20. Juni, um 17.30 Uhr und am Donnerstag, 21. Juni, um 10 Uhr. Beginn auf dem Darmstädter Büchnerplatz vor dem Theater Mollerhaus. (job)