Junges Staatsmusical feiert mit „Drei Musketiere“ Premiere
Zweieinhalb Stunden spannende Unterhaltung mit vergnüglichen Anfangsschwierigkeiten gab’s bei der Premiere des Musicals „Drei Musketiere“ im Kleinen Haus des Staatstheaters Wiesbaden.
Von Julia Anderton
Lokalredakteurin Wiesbaden
Tim Speckhardt, Immanuel Mich und Benjamin Geipel (von links) sind die „Drei Musketiere“.
(Foto: Christine Tritschler)
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WIESBADEN - Paris muss es sein! Die französische Metropole ist nicht nur heute für junge Leute interessant, auch im Frankreich des 17. Jahrhunderts kommt für den jungen Gascogner D‘Artagnan keine andere Stadt infrage: Ein Musketier will er in der Hauptstadt werden und die Chancen stehen auch recht gut, als er nach den ersten vergnüglichen Anfangsschwierigkeiten die legendären Musketiere Athos, Aramis und Porthos von seiner Eignung überzeugen kann.
Neuzugang Benjamin Link gibt den übermütigen, unerschütterlich optimistischen Jungspund, der sich im neuesten Streich des Jungen Staatsmusicals „Drei Musketiere – das Musical“ von Rob und Ferdi Bolland in das Herz der zarten Zofe Constance (Denia Gilberg) und des Publikums spielt und singt. Verlässlich unterstützt wird er von Tim Speckhardt, Immanuel Mich und Benjamin Geipel, die in bester Mantel-und-Degen-Manier ihre Gegner rasant aus dem Verkehr ziehen (Kampfchoreografie: Atef Vogel), dann aber am kirchlichen Intrigengespinst zu scheitern drohen: Kardinal Richelieu forciert den Krieg mit England, um die Macht König Ludwigs (Dennis Fritzinger) endgültig auszuhöhlen, und ist sich dabei weder für Erpressung noch Mord zu schade.
Zweieinhalb spannende Stunden
Rainer Maaß strotzt als Antagonist im Talar vor diabolischem Charisma und ist gesanglich wie darstellerisch eine ganz starke Besetzung in der Inszenierung von Regisseurin Iris Limbarth, die in zweieinhalb Stunden tatsächlich nicht eine Minute Langeweile aufkommen lässt. Die ist nicht zuletzt der gelungenen Durchmischung bewährter und neuer Darsteller in den tragenden Rollen zuzurechnen, die neben dem stimmlichen Können insbesondere versierte schauspielerische Qualitäten einfordern: Felicitas Geipel besticht als tragische Figur Milady de Winter, die als rachsüchtige Giftmörderin aufersteht. Meike Roth schwankt als Königin Anna zwischen beherrschter Contenance, mädchenhafter Schwärmerei zu Lord Buckingham (Brandon Miller) und tiefer Verzweiflung, angesichts Richelieus perfider Falle. Norman Dobrovsky ist als einäugiger Anführer der Kardinalstruppen Rochefort ein markiger Schurke, wie er im Abenteuerbuch steht, Dennis Fritzinger ein verunsicherter Herrscher, der zunehmend an Profil gewinnt, und Helen Graffert als Conférencier die souveräne Volksstimme.
Camillo Guthmann mausert sich mit mimischer Akrobatik und ansteckender Spielfreude in vielen kleinen Parts zum Publikumsliebling, so wie jedes einzelne Ensemblemitglied aus seinem Auftritt etwas Individuelles herauszuholen vermag, wenngleich bei der Premiere im Kleinen Haus noch nicht alle Ungenauigkeiten hinsichtlich der Gesangseinsätze und der tänzerischen Synchronität in den Ensemblenummern ausgemerzt waren und die Hauptdarsteller zudem wiederholt von Tonproblemen gebeutelt wurden. Doch das Gesamtpaket überzeugt zweifellos, auch dank zahlreicher visueller Bonbons: Die üppige Kostümpracht (Heike Korn) schwelgt in allen erdenklichen Formen und Farben und sorgt mit dem atmosphärisch-funktionalen Bühnenbild (Britta Lammers, Licht: Steffen Hilbricht) und den originellen Video-Projektionen von Gérard Naziri für optische Highlights.
Szenenjubel, langer Schlussapplaus und Standing Ovations bestätigen einmal mehr, dass das Junge Staatsmusical auch mit der neuesten Inszenierung einen Nerv getroffen hat.