Sie ist vulgär und schrill, aber trotzdem irgendwie sympathisch. Enissa Amani hat eine rasante Karriere hingelegt: Von der Flugbegleiterin zum Comedy-Star.
MAINZ. Der deftig wummernde Bass im Vorfeld ihres Auftritts nimmt schon vorweg, was die nächsten gut 100 Minuten folgen soll. Bei Enissa Amani gibt es tiefe Treffer in hoher Schlagzahl. „Ey, heute hast du heftig aufgelegt“, attestiert die Komikerin ihrem Bühnen-DJ im ausverkauften Frankfurter Hof – vor einem Publikum, das man großteils sonst eher im Imperial als im Unterhaus vermuten würde.
Flugbegleiterin und Miss Tourism Iran, Stand-up-Comedy und schnelle TV-Präsenz, Auftritte in „Fack ju Göthe 2“ und „Let's Dance“, eine kurzlebige Late-Night-Show und ein Comedy-Special bei Netflix – die 32-Jährige erlebte einen schnellen Aufstieg. Ein Gutteil des Programms wirkt improvisiert, inhaltlich bleibt viel Luft, nur nicht nach unten. Amani referiert, wie die Engländer („richtige Hurensöhne“) dereinst „die ganze Welt gefickt haben“, nur weil sie immer schlechtes Wetter haben. Sie plaudert über einen jüngst absolvierten Auftritt im Knast („Du kleine geile Nutte – das ist da ein Kompliment“), und sie sendet ein paar Botschaften. Wir urteilen zu viel. Religion ist toll, wenn sie tolerant und humanistisch daher kommt. Es ist „sexy und old school“, wenn Männer sich um Frauen schlagen. Am dümmsten sind Leute, die auf Instagram „Couple Goals“ unter ihre eigenen Pärchenfotos schreiben. Und: „Fick die AfD – außer meine Fans.“
So manches an diesem Abend passt nicht zusammen. Amani regt sich über die „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber...“-Phrasen auf, wirbt für Toleranz – und teilt selbst mit Vorliebe gruppenbezogen aus, mit der Begründung, dass man das nur auf der Bühne dürfe. Sie beklagt sich darüber, als schick und sexy gekleidete Frau die Intelligenz abgesprochen zu bekommen – und pflegt einen Sprachgebrauch, der eben das durchaus nahelegt. Unter all den „Hurensöhne“- und „Missgeburt“-Invektiven und dem demonstrativ gepflegten „Ghetto-Slang“ poppen unverhofft ein Kant-Zitat und Überlegungen zu Urknall und Schöpfung auf. Amani ist ein Profi, hat Gefühl für Timing, weiß sich zu inszenieren und wie sie ihr Publikum auf Temperatur bekommt.
Das Kuriose ist: So vulgär und schrill, vor allem so gekünstelt ihr Bühnen-Ich wirkt, irgendwie kommt Amani trotz allem sympathisch rüber. Ihr Publikum johlt zwar bei all den Schimpfwörtern leidenschaftlich mit, ist aber wohl erzogen – mit den lautesten Applaus erhält Erika in der ersten Reihe, als sie erzählt, dass sie seit 51 Jahren verheiratet ist. Und Amani selbst, als sie berichtet, nicht mehr in ihr Herkunftsland Iran einreisen zu dürfen aufgrund diverser Attacken gegen das dortige Regime. Dafür sendet sie Grußbotschaften per Smartphone und lässt das Mainzer Publikum auf Persisch eine kollektive „Ich hab euch lieb“-Botschaft hinzufügen.