Ein Experiment des Staatstheaters: Erstmals wurden mit großen Pausen dazwischen drei Stücke nacheinander gespielt – alle zum Thema Betrogen. Funktioniert dieser Theatermarathon?
WIESBADEN. Samstag, 15 Uhr. Sonnenschein und spätsommerliche Temperaturen. Und ich gehe ins Theater. Mitten am hellen Nachmittag beginnt ein Experiment des Staatstheaters: Drei Stücke hintereinander sind an diesem Tag in der Wartburg zu sehen – und alle drei kreisen um den Themenschwerpunkt „Vertrauen verloren“, um Selbstbetrug, Betrug in Paar-Beziehungen und darüber hinaus. Als Gesamtpaket eine echte Herausforderung. Eines weiß ich schon vorher: Auch Sybille Weiser wird sich ihr stellen. Und definitiv: Sie hat den härteren Part an diesem Tag erwischt.
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Betrogene zahlen nur die Hälfte
Schließlich spielt die Schauspielerin die weibliche Hauptrolle in allen drei Produktionen. Herausgekommen sind sie vor zwei Wochen, an drei Tagen in Folge. Auch das war schon sportlich. Aber nichts gegen den Marathon am Samstag. Was hat sich das Theater dabei gedacht? „Das ist ein Versuch, diese drei Stücke, die sich inhaltlich gut spiegeln, mal in einem Bogen zu spielen“, erklärt Dramaturg Wolfgang Behrens. Eventcharakter solle das Ganze haben, ergänzt er. Und wer beim Ticketverkauf angibt, betrogen worden zu sein, zahlt nur den halben Preis. Echt jetzt? „Ja, klar“, sagt Behrens. Diesen Bonus hätten auch einige Zuschauer tatsächlich in Anspruch genommen. Und wer angibt, selbst betrogen zu haben, zahlt die/der dann doppelt? Der Dramaturg lacht: „Aber ganz bestimmt.“
Die Betrogenen und Betrüger, die in den fast fünf Stunden reiner Spielzeit auf der Wartburg-Bühne stehen, machen es auf jeden Fall leicht, Situationen wiederzuerkennen. In Harold Pinters genialem, rückwärts erzähltem „Betrogen“ umzingeln Sybille Weiser und Tim Kramer einander, über Jahre hatten ihre Figuren eine Affäre. Wie es dazu kam, erlebt man bis zum allerersten Kuss. Pikant: Ihr Ehemann ist sein bester Freund Robert (Thomas Peters). Auch in David Mamets „Der Bußfertige“ sind Peters und Weiser ein Paar – und Tim Kramer der Regisseur. Das starke Stück um große grundsätzliche Fragen ist in Wiesbaden in deutscher Erstaufführung herausgekommen. Weiser gibt hier die zunehmend verzweifelte Frau des Moralisten Charles (Thomas Peters), der unbedingt für etwas büßen will – für was nur?
Im „Wohnzimmer“ 20 Prozent Ermäßigung
Dazwischen gibt es die erste, rund anderthalbstündige Pause. Da kann man dann noch mal draußen die Sonne genießen. Nach dem zweiten Stück ist die Pause noch länger – da lohnt es sich, nebenan im „Wohnzimmer“ sein Abendessen einzunehmen. „Wir haben eine Kooperation für diesen Tag: Wer die Theaterkarten vorzeigt, bekommt dort 20 Prozent Ermäßigung“, rät Behrens. Und während dort auf den Bildschirmen ringsum die Niederlande den ersten Treffer im deutschen Tor versenkt, stärkt man sich für Teil drei.
„Endspurt“, sagt die Dame an der Abendkasse zu mir. Auch für Sybille Weiser. Sie spielt – schon ein bisschen heiser – in David Schalkos „Toulouse“ die Exfrau von (jetzt wieder auf der Bühne:) Tim Kramer. Die beiden treffen sich in einem Hotelzimmer, und das Ganze läuft ziemlich aus dem Ruder. Was für eine Leistung aller an diesem Tag – vor allem von Sybille Weiser. Einige Zuschauer sind tatsächlich über die ganze Strecke mitgegangen, aber die meisten haben sich maximal zwei Stücke herausgepickt. Fazit: Ambitionierte Idee, aber lieber beim nächsten Mal als Doppelpack mit nur zwei Stücken und Dinner-Pause dazwischen anbieten.