„Der Bußfertige“ feiert in der Wiesbadener Wartburg Premiere

Sybille Weiser und Thomas Peters in „Der Bußfertige“. Foto: Karl & Monika Forster

Um einen Psychotherapeuten in Bedrängnis geht es in dem Einakter „Der Bußfertige“, mit dem das Staatstheater Wiesbaden nun Premiere in der Warburg feierte.

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WIESBADEN. Die Handlung des Stücks „Der Bußfertige“ des US-amerikanischen Dramatikers David Mamet, der eine gewisse Nähe zu Harold Pinter besitzt, ist schnell erzählt: Ein Psychotherapeut kommt in Bedrängnis, weil er vor Gericht ein Gutachten erstatten soll, das seinen Klienten entlastet. Der ist bedauerlicherweise ein jugendlicher Mörder, zu dem dem Seelendoktor nicht viel Entlastendes einfällt.

Für deutsche Zuschauer ein klein wenig verwirrend

Diese Prämisse des Einakters, der in der Wartburg Premiere hatte, ist für deutsche Zuschauer ein klein wenig verwirrend. Hierzulande wird glücklicherweise kein Gutachter vor Gericht genötigt, Ent- oder Belastendes zu einem Prozess beizutragen. Er ist gehalten, unparteiisch nach bestem Wissen und Gewissen vorzutragen.

Wenn das im angelsächsischen Recht anders ist – muss es ja sein, wenn Mamet ein Stück drumherum baut – dann schmälert das die Dramatik der Handlung nicht. Die auch dadurch befördert wird, indem eine Zeitung dem Psychotherapeut Homophobie vorwirft. Denn zu allem Überfluss ist der jugendliche Mörder auch noch homosexuell. Unter dieser Falschmeldung leidet die Ehe des Therapeuten – seine Frau sieht sich in der Nachbarschaft verunglimpft. Vergebens versucht sie, ihren Mann dazu zu bewegen, mindestens das Missverständnis aus dem Weg zu räumen. Der aber will in seiner Bußfertigkeit den Zeitungsartikel für eine bewusste Verleumdung halten, die seiner Meinung nach mit einer schlichten Berichtigung „auf Seite 21“ nicht aus der Welt zu schaffen ist.

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Im Programmheft zu dem Einakter heißt es: „Dialog als Duell“. Das ist die perfekte Kurzformel. Es gibt unglaubliche Wortwechsel zwischen dem Psychiater (gespielt von Thomas Peters) und seiner Frau (Sybille Weiser), die nicht verstehen kann, weshalb ihr Mann nicht zur Entlastung des Täters beitragen will. Es tritt ein Staatsanwalt auf (Benjamin Krämer-Jenster), der mit seiner Wortgewalt an die Großinquisitoren von Schiller und Dostojewski denken lässt – von Krämer-Jenster unglaublich eindringlich gespielt.

Der bußfertige Ehemann, der noch den Ehebruch seiner Frau mit seinem besten Freund und Ratgeber auf sich nimmt, folgt stringent dem Diktat seines Gewissens. Auch das sehr eindrücklich dargestellt. Mamets „Bußfertiger“ sucht auch noch Rat bei einem Rabbi, wie das Publikum erfährt. Der erinnert ihn obendrein an die Strenge von Gottes Gesetz. All das trägt dazu bei, dass er sich den Regeln des Spiels der Gewissenlosen verweigert. So jedenfalls die Sicht des Psychotherapeuten, der sich in immer ausweglosere Situationen bringt.

Autor Mamet erweist sich auch als ein Meister der Auslassung, des bedeutungsschweren Schweigens, der unter der Oberfläche brodelnden Bedrohung. Seine Geschichte handelt im Kern vom Versuch seiner Hauptfigur, die Heldenrolle ihres eigenen Lebens zu behaupten. Und vom unvermeidlichen Scheitern des Helden, der auf dem Weg zu seinem Untergang kleine, flüchtige Triumphe erlebt. Dazu passt die Abwesenheit eines Bühnenbilds – von der Ausstattung her hätte Tim Kramer den Einakter kaum minimalistischer inszenieren können.

Das Premierenpublikum spendet lang anhaltenden Applaus, auch für Matze Vogel, der in der Rolle eines juristisch vorgebildeten Freunds und Ratgebers wenig Gelegenheit hat, Profil zu zeigen.