Büchnerbühne spielt im Leeheimer Kirchgarten Komödie

Alceste hält Gericht über die lockere Lebensart von Célimene: Christian Suhr und Johanna Bronkalla in der Komödie „Der Menschenfeind“. Foto: Vollformat / Robert Heiler
© Vollformat / Robert Heiler

Wenige Schritte von seinem Stammsitz entfernt, erobert das Theater einen neuen Spielort – mit der schnörkellosen und unterhaltsamen Inszenierung von Molières „Menschenfeind“.

Anzeige

RIEDSTADT. Schön, dass die Büchnerbühne in Leeheim ihre eigene Spielstätte hat. Aber trotzdem ist es manchmal ziemlich eng im ehemaligen Feuerwehrhaus. Dabei liegt im Sommer nur ein paar Schritte entfernt eine Freilichtbühne, auf der man sich richtig wohlfühlen kann und die auch mit den aktuellen Abstandsregeln ein ansehnliches Publikum unterbringt. Im Garten der evangelischen Kirche spielt die Büchnerbühne Molières Komödie „Der Menschenfeind“ – und zeigt, wie wenige Mittel notwendig sind, um gutes Theater zu machen. Ein Sofa und zwei Sessel genügen als Bühnenbild, fürs Licht sorgt die Sommersonne, elektronische Verstärkung ist nicht nötig, weil alle Schauspieler so klar sprechen, dass auch im weiten Garten jedes Wort verständlich ist.

Überhaupt lebt dieser Abend von den kräftig charakterisierten, aber nicht übermäßig karikierten Typen. Gerade im Freilichttheater siegt oft die Klamotte, hier aber bleiben Molières zeitlose Anknüpfungen an die menschliche Natur erkennbar, ohne dass der Spaß gefährdet wäre. In anderthalb ebenso kurzweiligen wie intelligent unterhaltsamen Stunden bietet Suhrs schnörkellose Inszenierung eine kompakte Fassung dieser Gesellschaftssatire, für die es am Samstagabend großen Beifall gab. Der Theaterleiter spielt selbst die Rolle des Alceste, der als Menschenfeind gilt, weil er nur die Wahrheit gelten lässt, während in seiner Umgebung falsche Schmeichelei und kleine Lügen das Schmiermittel des sozialen Lebens sind.

Mürrische Miene und aufgeblasene Backen, ein erhobener Zeigefinger und zusammengekniffene Augen: So lehrt dieser Menschenfeind zwischen den Stühlen der Zuschauer seine Botschaft der moralischen Unnachgiebigkeit. Bei Suhr erkennt man, welche Selbstgerechtigkeit in dieser Weltsicht steckt. Und auch der Wutbürger ist nicht weit. Dabei ist sein Motiv doch nur die Eifersucht, weil die geliebte Célimene ihm nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, sondern den verhassten Hang zur Geselligkeit mit der Neigung zu oberflächlichen Scherzen verbindet. Johanna Bronkalla zeigt das mit geziertem Dauereinsatz des Fächers und spitzem Charme, und wenn sie sich mit den Wichtigtuern Clitandre (Vincent Hoff) und Acaste (Leonard Schärf) zum tratschenden Kicher-Kollektiv verbindet, kann man Alcestes Wut ziemlich gut verstehen.

Aus dem sehr überzeugenden Ensemble ragt einmal mehr Oliver Kai Müller hervor, diesmal in einer Doppelrolle – als affiger Dichter Oronte, der die Eitelkeit auf wackeligen Beinen spazieren führt, und als Philinte, der unter anderem mit einer Parodie seines Freundes Alceste glänzt. Gemeinsam mit Éliante (Melanie Linzer) liefert er an diesem Abend die tröstliche Botschaft, dass es neben den einschränkenden Eigenschaften der unbedingten Ehrlichkeit und der geistlosen Gleichgültigkeit auch einen anderen, menschlichen Weg gibt. Das versöhnt selbst die alte Arsinoe, deren messerscharfen Attacken Ursula Stampfli furchteinflößendes Format gegeben hatte.

Anzeige

Seit vielen Jahren spielt die Büchnerbühne ihre Sommerproduktion ja beim Groß-Gerauer Festival „Volk im Schloss“. Dass dieses Ereignis in diesem Jahr ausfallen muss, ist schade – aber mit dem Kirchgarten in der Nachbarschaft hat die Büchnerbühne eine Spielstätte gewonnen, der man eine Zukunft wünscht.