Mit einem Premieren-Marathon vom 30. September bis zum 2. Oktober erforscht das Wiesbadener Theater das Thema "Vertrauen verloren".
Von Birgitta Lamparth
Redakteurin Kultur und Stadtredaktion Wiesbaden
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WIESBADEN - Es liegt was in der Luft. Ist bei der unsicheren Weltlage der Rückzug auf die letzte Bastion eine Lösung - auf die Keimzelle, die Zweierbeziehung? Dass dies auch keine sichere Bank ist, zeigen zwei Erstaufführungen, die jetzt in die Wiesbadener Wartburg kommen: "Der Bußfertige" von David Memet und "Toulouse" nach dem gleichnamigen Film von David Schalko, der gerade erst auch bei uns im Fernsehen lief. Ergänzt werden sie von Harold Pinters Stück "Betrogen" aus dem Jahr 1977. Die Premieren sind an drei Tagen hintereinander geplant: vom 30. September bis zum 2. Oktober.
Wie kam es zu diesem Dreischlag? "Die beiden Erstaufführungen waren relativ schnell gesetzt," erzählt Dramaturg Wolfgang Behrens. "Beziehungen sind ja immer ein gutes Thema. Darüber gibt es viele Stücke. Aber das Interessante ist hier: Der Vertrauensverlust findet auf ganz verschiedenen Ebenen statt." Bei "Betrogen" sei es eine private Geschichte, bei "Toulouse" gehe es zwar ebenfalls um ein Paar - aber in Kombination mit einem öffentlichen Ereignis, einem Terrorakt. Und bei "Der Bußfertige" werde die Ehekrise erst ausgelöst durch öffentliche Ereignisse. Diese Unterschiede auszuloten - darum gehe es auch bei den drei Inszenierungen.
Alle Stücke auch an einem Tag
Ist es so gedacht, dass man sich möglichst alle drei Stücke zum Thema "Vertrauen verloren" ansehen sollte? "Aber ja: Es gibt ja auch Bezüge zueinander." Aus dem Gedanken heraus bietet das Staatstheater ein Event an: Am 13. Oktober gibt es eine Art Beziehungskrisen-Marathon, mit allen drei Stücken hintereinander (siehe Infokasten).
PREISNACHLASSFÜR BETROGENE
Am Samstag, 13. Oktober, werden alle drei Neu-Produktionen nacheinander in der Wartburg gespielt. Von 15 Uhr ("Betrogen"), 18 Uhr ("Der Bußfertige"), 21.30 Uhr ("Toulouse"). Nur für diesen Marathon gilt: Wer Tickets kauft und sich als Betrogener outet, bekommt einen Preisnachlass. Karten unter Telefon 0611-132325.
Dabei werden die Zuschauer verblüfft feststellen, dass es nicht nur thematische Zusammenhänge gibt. Sybille Weiser spielt die weibliche Hauptrolle - in allen drei Inszenierungen. Kommt sie da nicht manchmal durcheinander? "Das ist eher eine schöne Herausforderung", sagt die Schauspielerin, die früher in Wiesbaden engagiert war, heute in Berlin lebt und nun als Gast zurückkehrt. "Es war für uns schon bald klar, dass wir sie für alle drei Rollen haben wollen", sagt Wolfgang Behrens. Es sei natürlich eine besondere Situation, sich zeitgleich auf drei Stücke vorzubereiten - wo man sonst nur an einem arbeite, erzählt Sybille Weiser.
Sie glaube, dass alle drei Produktionen "jeden interessieren ab 30": "Das sind Situationen, wie sie fast jeder schon mal auf die eine oder andere Art erfahren hat." Sie erlebe in Berlin sehr unterschiedliche Beziehungsmodelle, aber den Klassiker - Mann verlässt Frau für Jüngere, wie in "Toulouse" - damit beschäftigen sich viele nach wie vor und immer noch.
Dass Menschen Vertrauen suchen und brauchen, "das ist ja etwas ganz Elementares", meint Wolfgang Behrens. "Die Art und Weise, wie Vertrauen unterminiert wird, das sorgt für krasse Erschütterungen - bei den Figuren in den Stücken ebenso wie bei uns Menschen überhaupt."
Aktuell könnte man das aber auch übertragen von der privaten Ebene auf die öffentliche: "Wenn wir heute in die Welt gucken, dann haben wir den Eindruck, wir können gar nicht mehr vertrauen." Und dann gehe man zurück auf seine private Zelle, "und auch da gibt es keine Sicherheit. Und wir wollen mit den drei Stücken untersuchen: Was macht das mit einem?"
Dennoch sollen die drei Stücke nicht in die große Depression führen. Die Auseinandersetzung damit könne eher eine Standortbestimmung auslösen, meint Sybille Weiser: "Man kann neu darüber nachdenken, sich fragen: Wo stehe ich da?" Und sich bestenfalls sagen: Beim nächsten Mal mache ich es anders. Und womöglich besser.