Absolventen der Berliner Artistenschule gastieren in Darmstadt mit einer hinreißenden Show
Von Susanne Döring
Miriam van der Neut hat die Staatliche Artistenschule Berlin absolviert: In Darmstadt zeigt sie Artistik mit dem „Vertical Dancing Net“. Foto: Andreas Kelm
( Foto: Andreas Kelm)
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DARMSTADT - Scheinbar ohne Halt und Sicherung fällt Carina Guillermo rasend schnell am Trapez eine Etage tiefer. Eine wirkliche Luftnummer, denn für einen winzigen Moment geht der Kontakt zu ihrem Partner Leonid Bethäuser ganz verloren. Aber schließlich greift der genauso blitzschnell zu und fängt Carina sicher auf.
Es sind solche Momente, die einem den Atem stocken lassen bei der Absolventenshow der Staatlichen Berliner Artistenschule, die an diesem Wochenende Station in der Bessunger Knabenschule macht.
Zwölf junge Leute haben in diesem Jahr ihren Abschluss an der 1956 im Berliner Osten gegründeten Artistenschule gemacht und sind seit Anfang Juli unter dem Motto „On the road“ kreuz und quer durch die Republik auf Tournee, um Werbung für sich selbst zu machen. Schließlich hoffen alle auf Engagements, die sie im besten Falle durch ganz Europa oder gar darüber hinaus führen werden.
Jungs streiten, Mädels tanzen
Atemberaubende Aktionen gibt es mehrfach an diesem Abend. Da kommen selbst die vielen Besucher aus dem Darmstädter Zirkusprojekt Waldoni ins Staunen, die einen großen Teil des Publikums bilden. Eingebettet in alltägliche Straßensituationen, in denen sich Jungs um eine Sitzbank streiten, die Mädels mit ihren Regenschirmen tanzen oder Skateboarder vorbeifahren, präsentieren alle Zwölf ein Solo in ihrer jeweiligen Disziplin. Merkwürdige, aber in der Artistik gebräuchliche Gegenstände werden dabei bespielt: ein Schlappseil, ein Luftstuhl, Strapaten (an der Decke befestigte Bänder) oder auch ein Luftring. Jonglage kommt dazu, das Trapez ebenso wie ein „Vertical Dancing Net“. Immer geht es darum, den eigenen Körper mit dem jeweiligen Gerät in größtmöglichen Einklang zu bringen. Auf einem Schlappseil, das eben nicht straff gespannt ist, spazieren gehen? Kein Problem für Jule Schuster, die frei stehend auf dem Seil hin und her schaukelt, locker einen Salto hinlegt, sich mit ihrer wilden Punkfrisur schwungvoll rund um das Seil überschlägt oder sich elegant in den Spagat rutschen lässt. Auch die beiden Künstler am Trapez scheinen verwachsen zu sein mit der Stange. Ganz locker sieht es aus, wie Carina Guillermo sich, nur an ihren Armen hängend, blitzschnell dreht und sich um Trapez und Partner windet, mal über ihm auf dem Trapez, mal unter ihm. Wie eine Puppe erscheint sie in den starken Griffen von Leonid Bethäuser, mal biegsam, mal steif und immer in Bewegung.
TERMINE
Die Vorstellung von „On the Road“ an diesem Samstag, 9. September, um 20.30 Uhr in der Bessunger Knabenschule ist bereits ausverkauft. Für die letzte Show der Gastspielserie am Sonntag, 10. September, um 19 Uhr gibt es noch einige Karten unter www.knabenschule.de. (anne)
Doch mit reiner Turnerei ist es bei der Artistik nicht getan. Wichtig ist die ästhetische Ausstrahlung, die die jungen Leute mit auf die Bühne bringen. Viel Charisma brachte neben Jule Schuster in jedem Fall auch Giulia Riboldi mit, die mit der Miene des frechen Görs und gut gelaunt die unglaublichsten Verrenkungen um den Luftstuhl, einen aufgehängten Stuhl ohne Sitzfläche, vollzog. Beeindruckend auch die Bouncing-Jonglage von Lukas Köster, der sich als Sparrings-Partner zwei Dreiecke ausgesucht hat, gegen die er die springenden Bälle hopsen lässt, wodurch der Jonglage eine ganz neue Dimension hinzugefügt wird. Weniger Schauspiel, aber sehr eindrückliche Handstand-Equilibristik brachte Nicole Ster auf die Bühne. Um rückwärts im Handstand eine Treppe hinaufzulaufen, braucht es dann auch nicht mehr viel Show, um zu begeistern.
Das alles wurde begleitet mit energiegeladener Musik vom Band, die das hingerissene Publikum anfeuerte, die Artistik mit rhythmischem Beifall anzutreiben. Am Ende wollte der Applaus kaum ein Ende nehmen.