Mit ideenreichen Interpretationen von Bach hat Paulus-Kirchenmusiker Wolfgang Kleber den Orgelsommer fantasievoll und mit allen Möglichkeiten der großen Schuke-Orgel beendet.
DARMSTADT. Dass die Freiheit des Fantasierens immer wieder zu besonders kühnen Neuerungen inspiriert, machte Wolfgang Kleber im letzten Konzert des Internationalen Orgelsommers in der Darmstädter Pauluskirche deutlich. Johann Sebastian Bach geht in seiner Fantasie g-Moll BWV 542 bis an die Grenzen des zu seiner Zeit Möglichen, was die chromatische und formale Gestaltung betrifft. Und dennoch wirkte das Stück in Klebers durchdachter und vorandrängender Deutung wie aus einer Keimzelle heraus entwickelt. Folgerichtig verzichtete der Organist auf die beliebte Fuge, die meist getrennt von der Fantasie überliefert ist; er schickte sie später als Zugabe auf tänzerisch beschwingte Art nach. Stattdessen fügte er an die Fantasie eine stille, verhaltene Wiedergabe des fünfstimmigen Chorals „An Wasserflüssen Babylon“ an.
Der 1908 in Frankfurt geborene Kurt Hessenberg hat aus seiner Verehrung für Bach keinen Hehl gemacht. Seine Fantasia „Sonne der Gerechtigkeit“ op. 66 setzt gleichsam die barocke Kunst der Choralbearbeitung auf gemäßigt moderne Art fort, wobei er dem Gehalt des alten Liedes auf der Spur bleibt. Kleber betonte die reiche Kontrapunktik des Werks, in dem die Choralmelodie mehrmals im Geflecht der Stimmen auftaucht. Dabei kam die Absicht zur klanglichen Steigerung spannend zur Geltung.
Höhepunkt dieses Abschlusskonzerts war die Interpretation der halbstündigen fis-Moll-Variationen op. 73 von Max Reger. Kleber folgte intensiv der blühenden Fantasie des Meisters, der hier ein eigenes Thema auf eine fantastische Reise durch die Höhen und Tiefen seiner Ausdruckswelt schickt. Die Fülle an Ideen reicht von romantischem Klangzauber bis an die Grenzen der Neuen Musik. Der Organist nutzte alle Möglichkeiten der großen Schuke-Orgel, um die sinfonische Bandbreite dieser Komposition auszukosten, die Spanne zwischen zarter Lyrik und unerhörter Dramatik.
Als heiterer Abgesang schloss sich die spielerisch beginnende und mächtig gesteigerte Fuge an. Nach dieser großartigen Leistung Wolfgang Klebers gab es den verdienten starken Applaus.