Das Konzert war böhmisch geprägt. Unter anderem war Dvoraks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ zu hören, eine wildromantische Interpretation. Eine epische wie süffige Deutung. Chapeau!
WIESBADEN - Ein böhmisch geprägtes Konzert gestaltete das Wiesbadener Sinfonieorchester in der Lutherkirche, es wurde eine starke Vorstellung. Umrahmt war das Programm mit Werken Antonín Dvoraks, ein selten gespielter Komponist sollte ebenfalls Gehör finden.
In Böhmen entwickelten sich deutsche und slawische Kultur über Jahrhunderte hinweg nebeneinander – obschon keine Symbiose entstand, existieren bis heute viele Berührungspunkte. Vom Miteinander der Bevölkerung zeugt unter anderem Max Brods Roman „Prager Tagblatt“, der die letzten Jahre einer Redaktion aus Deutschen, Juden und Tschechen in Prag vor der Katastrophe des Nationalsozialismus beschreibt.
Eine eigene böhmische Musiktradition gibt es ohnehin, im 19. Jahrhundert entstand dann die spezifisch tschechische Strömung mit der Trias Smetana, Dvorak und Janacek, die Kunstmusik und slawische Folklore zu einem Idiom eigener Art verbindet.
Eröffnet wurde das Konzert mit Dvoraks sinfonischer Dichtung „Die Mittagshexe“, die von einer Schauerballade des Dichters Karel Jaromír Erben inspiriert ist. Unter seinem Dirigenten Frank Segner fand das Wiesbadener Sinfonieorchester sogleich in ein ungemein poetisches Klanggemälde. Dramatik und Dämonisches zogen auf; geisterhaft muteten die leisen Streicherpassagen an, burleske Totentanzelemente fügten sich ein. Peitschend, laut tosend endete das Werk.
Der Komponist Johann Wenzel Kalliwoda (1801-1866) war eine K.-u.-K.-Mischung und verbrachte den Großteil seines Lebens in Donaueschingen. In seinem Concertino für Oboe und Orchester F-Dur op. 110 trat der junge Oboist Johannes Christ als Solist in Erscheinung. Die Bläser machten den Auftakt, die Streicher stiegen ein, dann brach sich klar tönend die Oboe Bahn. Volksliedhaftes findet sich in einigen Motiven; mit großem Schwung und reiner Intonation musizierte Christ, leichtfüßig trug ihn das Wiesbadener Sinfonieorchester unter Segner.
Nach der Pause Dvoraks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“: Die Zuhörer erlebten eine wildromantische Interpretation. Aus der Tiefe stieg das Adagio auf, wuchtig, mit Anmut, kam das Allegro. Warme bis sphärische Timbres folgten im Largo. Das Scherzo entfaltete seinen melodischen Reichtum, Bedrohungen flackerten auf. Triumphal das Finale – eine epische wie süffige Deutung. Chapeau!