RMF: Klavierabend des israelisch-palästinensischen Künstlers...

Mit zwei Brahms-Rhapsodien und Schumanns „Kinderszenen“ gab der israelisch-palästinensische Pianist Saleem Ashkar auf Schloss Johannisberg sein Debüt beim Rheingau Musik Festival.

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GEISENHEIM. Zwischen der deutschen und der französischen Programmhälfte seines Klavierabends versuchte Saleem Ashkar nicht zu polarisieren, sondern verbindende Elemente zu entdecken. Zum Beispiel, indem er zwei Rhapsodien von Johannes Brahms ungewöhnlich melodisch und farbig, zwei Balladen von Frédéric Chopin dagegen auffallend gestaucht und dramatisch auslegte.

Daniel Barenboim ist sein Vorbild

Wie der 1976 geborene Pianist auf diese Weise Unterschiedliches einander annäherte, passt zu seiner Biografie: Als Sohn einer christlichen Familie in Nazareth geboren und aufgewachsen, bezeichnet er sich selbst als israelisch-palästinensischen Künstler.

Bei seinem Debüt im Rahmen des Rheingau Musik Festivals verdeutlichte Askhar auf Schloss Johannisberg bereits in seiner Interpretation der beiden Brahms-Rhapsodie op. 79, dass Daniel Barenboim für ihn nicht nur ein persönliches Vorbild ist: Der Dirigent und Pianist, der sich mit seinem West Eastern Divan Orchestra für die Verständigung zwischen israelischen und arabischen Jugendlichen einsetzt, hat ihn nämlich gefördert, aber auch ästhetisch erkennbar beeinflusst. Der absolute Vorrang des Gesanglichen, der organischen Phrasierungen und der ausnahmslos geschmeidig ausgespielten Übergänge prägte neben seiner Brahms-Deutung auch seine Sicht auf Robert Schumanns „Kinderszenen“ op. 15. Vorzüglich gelang es ihm, diese Miniaturen weder gekünstelt noch naiv wirken zu lassen, indem die pianistischen Stürme im Wasserglas („Wichtige Begebenheit“) ganz ernst oder Stücke wie die unverwüstliche „Träumerei“ völlig natürlich und stringent ausgespielt waren.

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Eine kluge Klammer: Die pianistisch größte Herausforderung, Claude Debussys erstes Heft der „Images“, knüpfte mit den schlichten gebrochenen Dreiklängen der eröffnenden „Spiegelungen im Wasser“ („Reflets dans l’eau“) trotzdem zunächst an ähnliche Motive in den „Kinderszenen“ an. Treffend klar, glockig und mit Überblick gelang die neobarocke Rameau-Hommage des zweiten, voller präzisem Drive das kleinteilig-schnelle „Treiben“ („Mouvement“) des dritten Satzes. Damit war der eigentliche Höhepunkt des umjubelten Debüts erreicht, denn Chopins Balladen Nr. 3 (As-Dur op. 47) und Nr. 4 (f-Moll op. 52) fielen mit ihrer Konzentration aufs Motorische ein wenig ab: Allein hier wäre etwas mehr ausgelebtes Erzähltalent und etwas weniger vordergründige Virtuosität vorstellbar gewesen. Von Chopin stammte auch die einzige Zugabe, das Nocturne op. 32 Nr. 1.

Von Áxel Zibulski