RMF: Entspannen mit Elefant, Tiger und Co. – Gespräch mit...

Hélène Grimaud spielt am kommenden Donnerstag im Wiesbadener Kurhaus. Foto: RMF/Mat Hennek

Die weltbekannte Pianistin Hélène Grimaud gibt beim Rheingau Musik Festival am 9. August ein Konzert im Wiesbadener Kurhaus. Wir sprachen im Vorfeld mit der Fränzösin.

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WIESBADEN. Eine Französin, die die deutsche Sprache liebt? Ja, Hélène Grimaud macht aus ihrem Faible für deutsche Begriffe, Sätze und Redewendungen keinen Hehl: „Das Deutsche ermöglicht einen viel tieferen und reflektierteren Blick in die Tiefen der Worte als andere Sprachen“, begeistert sich die 48-Jährige. Um im Interview indes dann doch vor allem englisch zu parlieren: „Ich habe nie Unterricht gehabt und im Deutschen ist das tödlich, da die Grammatik einfach stimmen muss, andernfalls ergeben die Worte keinen Sinn.“ Wir sprachen mit der weltweit gefeierten Pianistin vor ihrem Wiesbadener Konzert mit dem Gstaad Festival Orchestra im Rahmen des Rheingau Musik Festivals.

Madame Grimaud, so schön Musik auch sein mag, für Künstler bedeuten vor allem Konzerte nicht zuletzt immer auch eine Herausforderung und Anspannung – wie entspannen Sie sich?

Am liebsten mit Tieren – da kann ich wirklich abschalten und ganz den Moment erleben. Das ist meine große Geheimwaffe (lacht) – wobei das auf Tour natürlich nicht so gut möglich ist und insofern zappe ich mich dann manchmal auch einfach durchs TV-Programm. Zumal in Deutschland, denn ich liebe das deutsche Fernsehen, es ist einfach wundervoll!

Wirklich? Was gefällt Ihnen denn am hiesigen Programm?

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Ich finde es sehr unterhaltsam und liebe die Tiersendungen, die es hier in den öffentlich-rechtlichen Programmen gibt. Doch auch auf den Regionalsendern finden sich einige wirklich gute Programme mit Natur- oder Wissenschaftssendungen. Insofern zappe ich mich in Deutschland immer gern durch die Programme und hoffe, Elefant, Tiger und Co. zu entdecken (lacht).

Und was macht für Sie das entspannende Moment im Umgang mit Tieren und der Natur aus?

Genau vermag ich das auch nicht zu sagen, denn ich bin weder mit Tieren noch in der Natur aufgewachsen, sondern habe meine Kindheit mitten in der Stadt verlebt. Vielleicht hängt es einfach mit der Gegenwart eines Tiers zusammen, denn Tiere haben die Fähigkeit, den Moment zu leben und sich selbst zu genügen. Zudem bietet der Umgang mit Tieren etwas sehr Wahrhaftiges: Da gibt es keine Hintergedanken, keine Sprache, hinter der man sich verstecken kann – die Kommunikation und Beziehung zu Tieren ist immer ganz unmittelbar, direkt und ehrlich.

Das heißt, eigentlich müssten wir uns die Tiere viel mehr zum Vorbild nehmen…

(lacht)...Das könnte ganz sicher nicht schaden. Und wir sollten zudem unserer Intuition größere Aufmerksamkeit schenken, denn die Intuition ist das tierische Erbe in uns – und zu oft kehren wir diese unter den Teppich, weil sie uns zu unbequem ist oder unser schönes Lebenskonzept stört. Würden wir dieser Intuition wieder mehr Aufmerksamkeit schenken, dann hätten wir schon einiges gewonnen.

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Wenn Sie im Umgang mit Tieren am besten entspannen können, ist das auch ein Grund gewesen, dass Sie nach einigen Jahren in der Schweiz inzwischen wieder nach New York zurückgezogen sind, in die Nähe Ihres Wolf Conservation Centers?

Ja, zweifellos – wobei es letztlich auch einen ganz schlichten Grund hatte: Ich bin lediglich vier Tage im Monat zuhause – und mag die Idee, an zwei Orten zu leben, auch attraktiv klingen, in der Realität macht sie keinen Sinn. Zwei Zuhause sind weder besonders praktisch noch sehr klug mit Blick auf die eigenen Kräfte, sondern komplizieren das Leben nur unnötig. Ich brauche einen zentralen Lebensmittelpunkt – und da war New York meine erste Wahl.

Während Sie sich in Ihrem Wolf Center um die Rettung wild lebender Wölfe kümmern, gibt es in Deutschland Diskussionen, ob der zurückgekehrte Wolf im Notfall auch abgeschossen werden dürfe. Viele Bauern fordern dies aus Sorge um ihre Tiere – haben Sie Verständnis für solche Ängste?

Diese Ängste sind nicht neu, es gibt sie überall auf der Welt – außer in jenen Ländern, wo die Wölfe nie verschwunden waren. Wo sie nie völlig vertrieben worden sind, wie in einigen Regionen Spaniens, Italiens oder auch Russlands, dort haben die Menschen gelernt, mit den Wölfen zu leben. All diese irrationalen Ängste und Diskussionen, die im Endeffekt jeder ernsthaften Grundlage entbehren und auf alten Schauergeschichten beruhen, gibt es nur dort, wo der Wolf verdrängt worden war.

Sie können den Argumenten der Wolfsgegner also wenig Substanzielles abgewinnen?

Solange die Wolfspopulation noch nicht wieder ein Niveau erreicht hat, wo ein Überleben aus sich selbst heraus gesichert ist, müssen die Wölfe geschützt werden und es muss ein striktes Abschussverbot geben. Erst wenn eines Tages dieses Niveau erreicht ist, kann man den Fokus wieder auf die Gesamtpopulation richten – und dann ist auch der Verlust eines einzelnen Tiers zu verschmerzen, das den Menschen zu nahe kommt.

Das Interview führte Christoph Forsthoff.