
Jason Isbell ist ein Geschichtenerzähler alter Schule. Mit der Begleitband The 400 Unit lotet der Gitarrist die Grenzen des Americana-Sounds aus.
Haben Sie jemals eine Frau mit Todessehnsucht geliebt? Und sie nachts beim auf das Dach klettern erwischt? „Jeder stirbt, aber man muss einen Grund finden, weiterzumachen“, weiß US-Sänger Jason Isbell. Aber ihre Augen sind matt, als ob man einen Lichtschalter ausgeschaltet hätte. Er wird sie jedenfalls nicht allein lassen. Der Song „Death Wishes“ ist der passende Einstieg in das mitunter schwermütige Album „Weathervanes“ des 44-jährigen Americana-Songschreibers.
Isbell ist ein Chronist des amerikanischen Alltags
Isbell ist der geborene Geschichtenerzähler, ein Chronist des amerikanischen Alltags, der im Kleinen gesellschaftliche Entwicklungen lebendig werden lässt. Es sind die Songs über den alltäglichen Kampf ums (Über)Leben, die Wirren der Liebe, die Selbstzweifel und die stets im Hintergrund lauernden Dämonen. Da ist der Daddy, der nicht mehr mit seiner Tochter spricht, nachdem sie ihm ihren schwarzen Boyfriend vorgestellt hat. Und irgendwo hat wieder jemand mit einer Waffe in irgendeiner Schule herumgeballert. Eine Schreckensvorstellung für alle Eltern.
Der im tiefen Süden der USA geborene Isbell, dem der US-Sender HBO jüngst eine Dokumentation widmete, ist selbst Vater einer Tochter und kennt die Ängste. Den Kampf mit der Alkoholsucht hat er (vorläufig) gewonnen. Und seine Begleitband The 400 Unit trägt den Namen der psychiatrischen Station des Stadtkrankenhauses in Florence, Florida. Noch Fragen?
Der Grammy-Gewinner Isbell lebt in der Country-Hochburg Nashville. Aber der bekennende Anhänger der Demokraten, der für die Rechte der LGBTO-Community eintritt und Alltagsrassismus bekämpft, hat nichts dem erzkonservativen Country-Mainstream zu tun. Inhaltlich nicht und musikalisch hat er die Grenzen ebenfalls weit hinter sich gelassen. Zusammen mit seiner Frau, der Violinistin Amanda Shires, und der famosen Begleitband The 400 Unit ist der Ex-Gitarrist der Alternative-Countryband Drive-By Truckers immer weiter Richtung Rootsrock gedriftet.
Erinnerungen an den Southernrock der Allman Brothers
Die Wurzeln liegen unverkennbar im tiefen Süden der USA. Slide- und Akustikgitarren kommen ebenso reichlich zum Einsatz wie Akkordeon, Ukulele und natürlich die Fiddle. Auf „This Ain’t it“ duellieren sich die E-Gitarren so spielerisch wie einst bei den Southernrock-Helden, der Allman Brothers Band. Isbell ist der entschlossene Vertreter des Americana-Sounds, jener eigentümlichen Mischung amerikanischer Musiktraditionen von Blues, Country über Folk und Soul bis zum Rootsrock.
Jason Isbell & The 400 Unit: „Weathervanes“, Southeastern Records-Thirty Tigers/Membran.