Beim 5. Orgelfestival in der Darmstädter Johanneskirche setzen fünf Organisten starke Akzente.
DARMSTADT - Kein anderes Instrument verfügt über eine solche Vielfalt an Stimmen wie die Orgel, die in jedem Register mit anderer Zunge singt. Die Arbeit des Organisten, dieses reiche Klangspektrum auszuschöpfen, zu justieren und stimmig ist Szene zu setzen, spielt sich normalerweise im Verborgenen ab. Anders verhielt es sich beim 5. Orgelfestival am Samstag in der Darmstädter Johanneskirche, wo eine Projektion auf Großleinwand es erlaubte, dem Organisten genauestens auf die Finger zu schauen.
Bei jedem der fünf Solisten, die sich von 18 bis 23 Uhr für jeweils 45 Minuten an die Orgel setzten, blieb es immer wieder aufs Neue interessant, die dargebotenen Werke nicht nur akustisch zu erleben, sondern ihre technische Umsetzung auch visuell nachzuvollziehen. Die Projektion gestattete zudem Einblicke in den höchst individuellen Umgang der Künstler mit der Orgel. Mit der lichten "Morgenstimmung" aus Griegs "Peer Gynt" eröffnete Bernd Stäb aus Ludwigsburg den opulenten Orgelreigen. Von Albinonis zuckrig aromatisiertem Adagio bis zu zwei Orgelfantasien von Mulder tendierte die Programmauswahl überwiegend zum eingängig Melodischen. Dennoch haftete der Interpretation - was die Phrasierung und die Wahl der Tempi anging - häufig etwas Statisches an.
Ein Feuerwerk an klanglichen Überraschungen hielt der niederländische Organist Evert Groen bereit. In freier Improvisation ließ er Themenwünsche, die das Publikum vor seinem Auftritt notiert hatte, auf der Orgel Gestalt annehmen. Von Carmen bis Pippi Langstrumpf huschte, wirbelte und jazzte es über die Tasten. Spieltechnisch virtuos, vollendet in der Kunst feinsinniger Registrierung, verstand es Groen, mit seinem musikalisch gewitzten wie tiefgründigen Vortrag bis zum letzten Akkord zu fesseln.
Intensität steigert sich
bis ins Schmerzhafte
Starken Eindruck hinterließ auch die Uraufführung der "Passacaglia Choraliter" von Bernd Genz aus Höchst. Mit einer emotionalen Kraft, deren Intensität sich bis ins Schmerzhafte steigerte, formte er die dramatischen Spannungsbögen und reizte die Kontraste der zwischen Meditation und Ekstase schwankenden Komposition leidenschaftlich aus.
Wesentlich gedämpfter klang der Ausflug in die Romantik, die Christian Hopp mit Rheinbergers Sonate Nr. 5 in Fis-Dur und Francks "Grande pièce symphonique" op. 17 unternahm. Die einzelnen Phrasen schienen nicht deutlich genug ausdeklamiert, das Volumen wirkte oft recht matt.
Einen grandiosen Schlusspunkt setzte Berhardt Brand-Hofmeister mit einem Cross-over-Programm, das von Mozarts "Lacrimosa" bis Freddie Mercurys "Bohemian Rhapsody" reichte. Ungemein effektvoll spielte der Organist die Möglichkeiten seines Instrumentes aus. Die einfallsreiche wie geschmackvolle Wahl der Register hielt immer neue Überraschungen bereit. Klangmagie pur, die einem Orchester in nichts nachstand.