Beim Abschlusskonzert in der Basilika des Klosters Eberbach wurde der international geschätzte Dirigent Yannick Nézet-Séguin mit dem Rheingau-Musik-Preis ausgezeichnet.
Von Klaus Ackermann
Nochmal schöne Töne zum Abschluss des Festivals: Auch ohne Taktstock hat der kanadische Dirigent Yannick Nézet-Séguin das Rotterdam Philharmonic Orchestra im Griff.
(Foto: RMF/Ansgar Klostermann)
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ELTVILLE - Den guten Worten folgten schöne Töne. Beim Abschlusskonzert des Rheingau Musik Festivals in der Basilika von Kloster Eberbach hat der hessische Staatssekretär Patrick Burghardt den international geschätzten Dirigenten und Pianisten Yannick Nézet-Séguin mit dem diesjährigen Rheingau-Musik-Preis ausgezeichnet. Als Danksagung lieferten der kanadische Maestro und das Rotterdam Philharmonic Orchestra mit der Haffner-Sinfonie von Mozart und Anton Bruckners Nr. 4 ein fulminantes Festival-Finale.
Der Rheingau Musikpreis wurde vor 25 Jahren erstmals vergeben und ist mit 10 000 Euro dotiert, die das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kultur zur Verfügung stellt. In seiner Laudatio auf den Preisträger erinnerte Festival-Intendant Michael Herrmann an drei Konzerte des Rheingau-Jahrgangs 2016, die Nézet-Séguin auf besondere Weise geprägt habe. Als Dirigent der Berliner Philharmoniker und das von ihm zehn Jahre lang inspirierte Rotterdam Philharmonic Orchestra und als Pianist in einem unvergessenen Kammermusikabend. Zutiefst berührt zeigte sich der Kanadier von dieser Ehrung. „Rheingau will always stay with me“ – den Rheingau wird er immer im Herzen tragen – verspricht der zukünftige Musikdirektor an der Metropolitan Opera in New York (MET). Und bezeugt alsbald in der voll besetzten Basilika seine starke Suggestivkraft. Ein Pultstar, der das abendfüllende Programm auswendig dirigiert - und dabei gottlob auf den Taktstock verzichtet. Denn per Dirigierstab könnte er mit seinem suggestiven, raumgreifenden Dirigat sich (und andere) gefährden.
Mozarts Haffner-Sinfonie, der die gleichnamige Serenade für den befreundeten Salzburger Bürgermeister Sigmund Haffner zugrunde liegt, bietet mit ihrem fanfarenartigen Thema einen festlichen Einstieg. Große Intervallsprünge werden noch von der fülligen Akustik des Kirchenschiffs verstärkt. Wie eine kleine Nachtmusik wirkt das Andante, dessen Serenaden-Charakter auch die mild zwitschernde Basilika-Schwalbe zu animieren scheint. Klanglich robust kommt das Menuetto daher, von Nézet-Séguin als Dialog angelegt – bei behutsamen Abwägen der Argumente. Im feingliedrigen Presto-Finale legen die Philharmoniker noch einmal einen Zahn zu, für heiße Tempi gut gerüstet, die sich im Nachhall zu überschlagen scheinen.
EINE ERSTE BILANZ
Das Rheingau Musik Festival hat vor dem Abschlusskonzert im Kloster Eberbach bei Eltville eine positive Bilanz gezogen. In seiner 31. Saison besuchten 112 500 Zuhörer die 149 Veranstaltungen an 40 Orten, wie die Festivalleitung berichtete. „Bei rund 123 500 verfügbaren Karten entspricht das einer Auslastung von 91,09 Prozent. 93 der 145 Konzerte waren vollständig ausverkauft“, hieß es weiter. Im Vorjahr hatte es 2500 Besucher mehr gegeben – allerdings auch 153 Veranstaltungen. Der Etat betrug 2018 nach Angaben des Festivals acht Millionen Euro – mit einem Sponsorenanteil von 45 Prozent und einer öffentlichen Förderung von lediglich 0,31 Prozent. Damit lag die Eigenfinanzierung wie schon im Vorjahr bei 99,69 Prozent.
Dagegen ist die Kloster-Basilika für Bruckners Sinfonie Nr. 4 Es-Dur der ideale Klangraum. Hat sie doch den Beinamen „die Romantische“, ist aber wie immer beim Linzer Sinfoniker „dem lieben Gott gewidmet“. Ein hohles Quintmotiv gewissermaßen als klanglicher Kitt: Bei starker Bläser-Phalanx und flirrenden Streicher-Tremoli herrscht von Anbeginn Hochspannung im säkularisierten Gotteshaus. Auch der delikaten Dynamisierungskunst des kanadischen Vorturners zu verdanken, der die schaurig schönen Holzbläser-Mixturen noch im Pianissimo zu konturieren versteht.
Blechbläser in Festival-Bestform
Selbst das bei Bruckner übliche abrupte Abreißen und Neuansetzen musikalischer Gedanken wird bei Nézet-Séguin mit effektvollem Legato-Spiel weitgehend überwunden, der bei grandioser Steigerung den Orgel-Schweller zu bedienen scheint. Wie ein Trauermarsch kommt das „Andante quasi Allegretto“ daher, von wundersamen Bratschengesang getragen. Während im Scherzo mit seinen zündenden Jagdhorn-Fanfaren und dem tänzerisch anmutenden Trio die Blechbläser einmal mehr ihre Festival-Bestform unterstreichen. Nach all den hymnischen Auf- und Abstiegen wirkt das finale Dur wie eine Erlösung …