Die Musiker des Blasorchesters und Zuhörer haben ein überaus herzliches Verhältnis zueinander. In Wiesbaden springt der Funke gleich über.
WIESBADEN. Gegen Ende des Konzerts wird sich das komplette Publikum erheben und „Ernst Hutter & die Egerländer Musikanten“ frenetisch feiern. Die „Reicht Euch die Hand“ betitelte Tournee begann am 28. Dezember in Nürnberg, Wiesbaden ist die fünfte Station – und dieser habe man mit großer Freude entgegengeblickt, betont Moderator Edi Graf, der launig durch den Abend führt; Ernst Hutter schwärme vom Friedrich-von-Thiersch-Saal. Hutter nimmt den Faden auf: Die Pandemie habe den Menschen viel abverlangt, die Welt befinde sich in einer Krise – insofern sei das „Reicht Euch die Hand“ ein Appell, einander mitfühlend gegenüberzutreten.
Der Funke springt gleich im eröffnenden „Egerländer Musikantenmarsch“ über. Seit mehr als 60 Jahren gibt es die Egerländer Musikanten, die zahlreiche Nachahmer haben, und daher noch das „Original“ auf dem Konzertplakat platziert haben. Der aus Zwodau im böhmischen Egerland stammende Posaunist Ernst Mosch (1925-1999) trat nach dem Zweiten Weltkrieg in amerikanischen Jazzclubs auf, wandte sich Mitte der 1950er Jahre dann aber der böhmischen Blasmusik zu. Die von ihm gegründeten Egerländer Musikanten treten weltweit auf. Bis in die New Yorker Carnegie Hall führte ihr bisheriger Weg.
Mosch spielte mit seinen Musikanten auch Arrangements bekannter Operettenmelodien ein, zudem ließ er sich von Glenn Miller inspirieren. 1999 starb Mosch, da war Ernst Hutter bereits Tenorhornist des Orchesters. Er übernahm die Leitung.
In eleganten Trachten musizieren die Egerländer im Thiersch-Saal: Klarinetten, Hörner, Trompeten und Posaunen bilden einen über die Jahre entwickelten, gepflegten süffigen Klang, Blech- und Holzbläser befeuern einander. Am Schlagzeug sitzt mit Holger Müller ein versierter Mann, der als Unterhalter zu glänzen vermag: Er schmettert die Stücke mit und setzt die Schläge durchaus nicht nur krachledern, sondern bringt Swing mit ein. Katharina Praher und Nick Loris treten als Gesangsduo hinzu: Ihre bewusst einfach gehaltenen Texte kreisen um idyllische Impressionen, welche einen Gegenpol zu schwierigen Lebenssituationen bilden sollen, und Sehnsucht nach der böhmischen Heimat.
Nick Loris fungiert ebenfalls als Komponist, seine „Aha-Polka“ wird bejubelt, weitere Nummern entstammen seiner Feder.
Die Egerländer Musikanten sind freilich eine gewachsene Gemeinschaft, in welcher es Familienbande gibt: So musizieren Brüder im Klangkörper, Ernst Hutters Sohn Martin bläst die Trompete; mit seinem Vater hat er „Gloria Patri“ komponiert, eine Hommage an die Väter, das Stück beendet den ersten Teil.
Nach der Pause geht es mit Julius Fuciks „Einzug der Gladiatoren“ weiter, Zirkusatmosphäre entsteht. Die Polkas entfalten ihre Wirkung, heitere Anekdoten Edi Grafs sorgen für Gelächter. Höhepunkt sind „Egerländer Solistenfeuerwerk“, „Egerländer Tenorhorn Rag“ und „Trompetensterne“, in welchen alle Musiker ihre solistischen Fähigkeiten offenbaren. Ernst Hutter ist Mitglied in der Bigband des SWR und in Jazzensembles aktiv, diese Vielseitigkeit kommt ihm sowohl als Hornist als auch als Arrangeur zugute. Überschwänglich bedanken sich die Egerländer beim Wiesbadener Publikum, welches lautstark nach Zugaben ruft. Katharina Praher und Nick Loris singen das zünftige Trinklied „Auf der Vogelwiese“ und „Gute Nacht“ – nach über zweieinhalb Stunden geht das Konzert zu Ende.