Kaum ein Komponist gibt Elegischen in der Verschmelzung aus Schönheit und Melancholie, Eleganz und Bedrängnis eine so lyrische Stimme wie Peter Tschaikowsky. Der Ergründung...
DARMSTADT. Kaum ein Komponist gibt Elegischen in der Verschmelzung aus Schönheit und Melancholie, Eleganz und Bedrängnis eine so lyrische Stimme wie Peter Tschaikowsky. Der Ergründung dieses Spannungsfeldes widmet sich der Pianist Boris Bloch auf seiner neuen, bei Ars Production erschienenen CD, die auf dem Live-Mitschnitt eines Klavierabends basiert, den er am 6. November 2018 anlässlich des 125. Todestages von Tschaikowsky an der Folkwang Universität der Künste gegeben hat.
Im Zentrum der Einspielung steht der Zyklus „Die Jahreszeiten“ op. 37. Die zwölf Stimmungsbilder klingen in Blochs Interpretation wie eine Parabel auf das Leben selbst. Jeder Ton – vom schimmernden Piano in den „Weißen Nächten“ bis zur Fanfare der herbstlichen „Jagd“ – scheint untergründigen Spannungen zu entspringen, denn Bloch begnügt sich nicht damit, den Bilderreigen des Jahreskreises kontrastreich auszumalen. Er mischt der Schönheit stets den Hauch der Vergänglichkeit bei und der wilden Ausgelassenheit den Unterton der Gefährdung, versteht dabei die Kunst, die Stücke emotional aufzuladen und ihre melodische Klarheit und Transparenz zu wahren.
Dabei geht er mit großer Akkuratesse zu Werke. Feinsinnige Phrasierung, Dynamik und Pedalgebrauch werden ergänzt durch subtile Farb- und Klanggestaltung. An Schumann erinnert der ungestüme „Faschingsdienstag“ im „Februar“ mit seinen hintergründig grellen Farbakzenten, zarter Frühlingszauber spricht aus dem „Lied der Lerche“ und dem von tänzerischem Schwung beseelten „April“. Mit meisterhafter pianistischer Intuition fängt Bloch dabei den Charakter der Stücke ein: Von der berühmten „Barcarole“ über das „Herbstlied“ und die „Schlittenfahrt“ bis zu dem träumerischen Walzer „Am Heiligen Abend“ besticht seine Interpretation, der man die lange Auseinandersetzung mit Tschaikowsky anhört.
Die darauf folgenden Klavierwerke der CD können diesen Eindruck noch intensivieren: Die Wirkung resultiert auch hier aus dem Kontrast von Stimmungen und Gemütszuständen. Die elegische „Romanze in f-Moll op. 5“ prallt auf die feurige Emphase des „Natha“-Walzers, die virtuose Spielerei in „Un poco di Chopin“ trifft auf die geheimnisvolle Atmosphäre des „Wiegenliedes op. 16 Nr. 1“.
Expressiver Höhepunkt der Aufnahme ist Blochs Deutung von „Dumka (szène rustique russe) op. 59“. In den volkstümlichen Rhythmen spiegeln sich dramatisch Unterdrückung, Aufbegehren und Resignation. Vor dieser Kulisse tritt die Klangschönheit der lyrischen Werke wie „Valse sentimentale“ und „Dialogue“ umso eleganter hervor.