Uraufführung in der Darmstädter Orangerie: Das Stück „Im Fieberrausch der Töne“ fächert die Brieffreundschaft von Tschaikowski und Nadeshda von Meck auf.
Von Stefanie Steinert
Sona MacDonald und Christian Nickel rezitieren Briefe von Nadeshda von Meck und Peter Tschaikowski .
(Foto: Dirk Zengel)
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DARMSTADT - Es war ein gelungener Abend für Literatur- und Musikliebhaber, die es kurzweilig mögen und zudem ein Höhepunkt im Jahresprogramm der Chopin-Gesellschaft: die Aufführung von Silvia Adlers Bühnenfassung der legendären Brieffreundschaft zwischen Peter Tschaikowski (1840 – 1893) und seiner Gönnerin Nadeshda von Meck (1831–1894) anlässlich des 125. Todestages des Komponisten am 6. November. Das Briefzitat „Im Fieberrausch der Töne“ diente als Titel für diese szenische Lesung mit Musik; und in eben diesen Rausch begaben sich die Schauspieler Sona MacDonald und Christian Nickel sowie Pianist Boris Bloch am Samstag im fast voll besetzten Saal der Orangerie.
Über 1200 Briefe zählt die Korrespondenz zwischen Tschaikowski und seiner Mäzenin und Muse Nadeshda von Meck, die tiefe Einblicke in den musikalischen Schaffensprozess und die Persönlichkeit des Komponisten gewährt. Ohne sich je persönlich gesprochen zu haben, tauschen sich der Komponist und die verwitwete, sehr wohlhabende Unternehmerin von 1877 bis 1890 derart leidenschaftlich über ihre Gedanken und Empfindungen aus, dass eine Art platonische „Amour fou“ entsteht.
Die Darmstädter Germanistin und Journalistin Silvia Adler beweist bei ihrer Textauswahl aus 2000 Briefseiten viel Sinn fürs Dramaturgische und schafft ein eigenes, begeisterndes Werk, dem man noch viele Aufführungen wünscht. In drei betitelten Akten mit eingestreuten Klavierwerken erfährt der Hörer, wie sich Meck und Tschaikowski kennenlernen („Landnahme“), ihre Zuneigung genießen („Idyll“) und sich schließlich aufgrund von innerer Unruhe entfremden („Verheerungen“). Schritt für Schritt wird deutlich, dass es wohl die den beiden gemeinsame Menschenscheuheit wie ihr Musikgeschmack war, der sie zusammenbrachte.
Sona MacDonald vom Josefstädter Theater in Wien gibt einfühlsam die feine Russin, die bei ihren leidenschaftlichen Gefühlsausbrüchen gerade noch die Kontenance zu wahren weiß, etwa wenn sie Tschaikowski ihre Liebe zu ihm und seiner Musik gesteht: „Wie gern würde ich mich in Ihre Seele einschleichen, während Sie selbst ihrem Werk lauschen“. Christian Nickel verkörpert Tschaikowski zurückhaltender und überzeugt, in dem er die Worte, die er „an meine unsichtbare, gute Freundin“ und „Spenderin meines Wohlbefindens“ richtet, für sich wirken lässt.
Komplettiert wird das Künstlertrio durch den renommierten Konzertpianisten Boris Bloch. Mal mit weichem Anschlag, mal klar-brillant trifft er den jeweiligen Duktus sowohl der Charakterstücke (unter anderem Barcarole, Valse sentimentale, Chanson triste) als auch der Auszüge aus der Vierten Sinfonie und bringt den Flügel mit wunderbar fein abgestimmter Agogik mittels kleinster Verzögerungen zum Singen. So gibt Bloch dem Hörer die Gelegenheit, dem Rezitierten in der Musik nachzuspüren und noch tiefer in die Herzen des außergewöhnlichen Liebespaares hineinzusehen.