Anfang September ist der Darmstädter Schriftsteller Heleno Saña neunzig geworden – für den Komponisten Cord Meijering der Anlass für die Vertonung eines seiner Gedichte.
DARMSTADT. (job). Den Darmstädter Schriftsteller Heleno Saña kennt man vor allem als streitbaren Beobachter der Gegenwart. Bücher wie „Das vierte Reich“, „Die Lüge Europa“ oder „Die verlorene Menschlichkeit“ lösten immer wieder Debatten aus, den Deutschen nach der Wende bescheinigte der aus Barcelona stammende, seit 1959 in Darmstadt lebende Autor einen Zustand „zwischen Weinerlichkeit und Größenwahn“. Saña wird geschätzt für seine argumentative Schärfe und den weiten Raum des Wissens, mit dem er seine sozialphilosophischen Schriften belegt. Aber er schreibt auch Gedichte, dann in seiner spanischen Muttersprache; ein besonders schönes Beispiel ist „De pronto veo“, ein Gedicht, in dem die Beobachtung eines Vogels und die Betrachtung der menschlichen Existenz einander begegnen. Cord Meijering hatte das Gedicht in seinem „Darmstädter Liederbuch“ vertont.
Jetzt hat der Komponist sich erneut einem Gedicht Sañas zugewandt – ein musikalischer Gruß zum 90. Geburtstag, den der Schriftsteller Anfang September gefeiert hatte. Es sollte ein Zyklus werden, ein Lied wurde jetzt erstmals aufgeführt, von der Sopranistin Yeree Suh und der Pianistin Carmen Piazzini. Es ist ein Lied, das im Neun-Achtel-Takt schwingt, alle Töne der Naturtonreihe verwendet und mit der Vorhalt-Harmonik eine wehmütige Stimmung des Vermissens signalisiert: ein Liebesgedicht, von Saña einst für seine verstorbene Frau Gisela geschrieben, in dem die Rede ist von einer „Frau, aus Harmonie gemacht“.