Die Darmstädter Konzertreihe "Americana im Pädagog" ist so umfangreich wie nie zuvor
DARMSTADT - Lesen kann das Leben verändern. Zum Beispiel bei Sam Doores: Der las erst ein Buch über Bob Dylan, dann die Autobiografie von Woody Guthrie - und fortan brach er auf in eine neue Existenz als Wandermusiker und Hobo, der auf Güterzügen durch die USA tourte. In New Orleans lernte er die Sängerin Alynda Lee Segarra kennen, gründete mit ihr die Band "Hurray For The Riff Raff", wandte sich dann anderen Projekten zu. "Sam Doores ist einer der kreativsten und einflussreichsten jüngeren Americana-Künstler", lobt Thomas Waldherr, der das Programm der Konzertreihe "Americana im Pädagog" zusammenstellt und mit Klaus Lavies im Pädagogtheater organisiert. Sam Doores eröffnet am 6. September das Herbstprogramm, gemeinsam mit "The Horse Eyed Men", einer Band, die Country, Ragtime und Punk vermischt. "Eine unterhaltsame Folk- und Country-Revue", verspricht Waldherr.
Respektvoll,
aber nicht todernst
Wie immer wird er den Abend mit seinen Anmerkungen auch begleiten - in den Programmen des Musikjournalisten und Americana-Kenners kann man auch etwas lernen. Respektvoll gegenüber dem Gegenstand, aber nicht todernst: Das ist seine Haltung, auch, wenn er einen ganzen Abend bestreitet wie beim Multimedia-Vortrag am 7. November über die Geschichte der Protestsongs in den USA, der Musik und Musiker seit den zwanziger Jahren bis in die Trump-Ära verfolgt.
Verschiedene Facetten des Protests prägen auch die aktuelle Americana-Musiker, zum Beispiel Tim Grimm, der für Waldherr in die Traditionslinie von Dylan und Guthrie gehört. Grimm ist derzeit einer der wichtigsten US-Folksänger, am 24. September kommt er ins Pädagog. Überhaupt ist das Americana-Programm im fünften Jahr der Reihe so umfangreich wie noch nie, sechs Konzerte gibt es alleine im ersten Halbjahr, drei internationale Acts und drei aus Deutschland. Möglich wurde diese Vielfalt auch, weil die Reihe erstmals von der Stadt Darmstadt unterstützt wird.
Am 11. Oktober ist erstmals "Tildon Krautz" in Darmstadt zu hören, eine amerikanisch-französische Formation in der Tradition des Anti-Folk aus New York City. Hillbilly, Punk, Bluegrass, Blues - eine Stilmischung, "die das Publikum ziemlich mitreißt", hat Waldherr erlebt. Markus Rill ist dem Stammpublikum in Darmstadt schon bekannt, der deutsche Americana-Musiker hat sein Handwerk immerhin in Nashville und Austin gelernt (27. September). Aus der lebendigen Weinheimer Musikszene kommt die Band "Magnolia" mit ihrem charismatischen Sänger Winston Dyer (29. November). Und der Auftritt der Darmstädter Band "Second Goldrush" um Stephan und Daniel-Patrick Görisch (25. Oktober) werden neben mitreißender Musik auch viele Geschichten rund um die Songs bieten - Stephan Görisch versteht es, sein profundes Wissen ins Konzert einzubauen.
Für alle Konzerte gilt, dass Abwechslung zählt. "Musik muss alle Gefühlslagen abdecken, der Temperamentwechsel ist wichtig", sagt Waldherr. Und sie kann auch alle Themen berühren, ob es nun Liebe und Tod ist, Eifersucht oder Politik.