"Stadt der Feen und Wünsche" von Leander Steinkopf
Von Johannes Breckner
Redaktionsleiter Bergsträßer Echo
Leander Steinkopf lässt seinen Erzähler durch das Berlin der Feen und Wünsche streifen. Foto: Andreas Hassiepen
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Es ist leicht, Empörung zu erzeugen. Da streift ein Mann durch eine Berliner WG-Party. "Habt Ihr schon gehört", fragt er die Raucher auf dem Balkon, "Shell hat das Tempelhofer Feld für Fracking-Bohrungen verkauft!" Dem Grüppchen vor der Badewanne, in der das Bier kühlt, erzählt er, dass Coca-Cola Pfandautomaten aufstellen will, um den Leergutsammlern das Geschäft zu vermiesen, die nächste Runde bekommt eine Geschichte von Monsanto aufgetischt, die das Umland für den Soja-Anbau ankauft, damit der Berliner Tofu-Hunger gestillt werden kann.
Wundersame Typentreten auf
Dann verschwindet er mit Hanna, die ihn durchschaut und gerne früh nach Hause geht, weil sie sich den Abwasch für den späten Abend aufgehoben hat. Es sind wundersame Typen, die Leander Steinkopf auf seinem erzählerischen Berlin-Spaziergang auftreten lässt. Den Leergut-Sammler, der sich fürs Trinken verteidigt, weil er sich doch auch ein Feierabendbier gönnen darf wie andere arbeitende Menschen auch. Die Kassiererinnen aus dem Netto-Markt im Problembezirk, die ihrer schwierigen Kundschaft mit fürsorglicher Ruhe begegnen. Den Radfahrern in Mitte, denen er besonderes Misstrauen entgegenbringt. Fahrradfahren heißt, dass man ständig vorankommen muss, um nicht umzufallen.
Der Erzähler, den Steinkopf in seinem literarischen Debüt auftreten lässt, hat eine andere Haltung. Warum soll er einer Zukunft beim Werden zuschauen, die ihn am Ende doch nichts angeht? "Lieber schaue ich mir den Untergang Europas an, der betrifft mich, und die besten Plätze sind billig." So zieht er durch Wedding und Neukölln, meistens ist es eine U-Bahn-Station, aus der er in der Stadt auftaucht. Man könnte dieses Büchlein auch mit dem Netzplan in der Hand lesen. Und eine ganze Menge der Dinge, die Steinkopf beschreibt, meint man gesehen und erlebt zu haben.
Leander Steinkopf lässt seinen Erzähler durch das Berlin der Feen und Wünsche streifen. Foto: Andreas Hassiepen
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Aber nicht so pointiert formuliert. Eigentlich ist Steinkopfs Erzählung eine lange Glosse, montiert aus Beobachtungen, verbunden durch die nachsichtige Haltung des Erzählers, der immer auch über sich selbst reflektiert. So entsteht ein Gedankenfluss, von dem man sich gerne mitnehmen lässt, auch wenn manche Sätze in die Bedeutungsschwere rutschen, die dem Understatement dieses Textes eigentlich fremd ist. Und manchmal lauert auch das Klischee, das Steinkopf ja selber aufgreift. "Mir wird immer übel, wenn die Klischees Wirklichkeit werden", lässt er seinen Erzähler sagen, "es ist der Schwindel beim Blick in die klaffende Leere, als hätte die Welt nicht mehr zu bieten als die billigen Tagesangebote meiner eigenen Fantasie."
== Autor und Lesung ==
Leander Steinkopf, 1985 in Seeheim-Jugenheim geboren, studierte in Mannheim, Berlin und Sarajevo. Er arbeitet als freier Journalist und schreibt Komödien fürs Theater.
Am Mittwoch, 13. Juni, stellt er seine Erzählung "Die Stadt der Feen und Wünsche" in Darmstadt vor, die Lesung beginnt um 20 Uhr im Kulturzentrum Bessunger Knabenschule.
== Das Buch ==
Leander Steinkopf: Stadt der Feen und Wünsche. Hanser Berlin, 112 Seiten, 16 Euro.
Und auch die Tragödien des Alltags ziehen in dieser Geschichte vorbei, schwierige Lieben, scheiternde Familien, Menschen, die aus dem Alltag in die Psychiatrie flüchten. Angetrieben von einer ungewissen Sehnsucht, findet Steinkopf an den Rändern der Gesellschaft ihre Mitte.