Die in Deutschland aufgewachsene Journalistin und Autorin nähert sich ihrer eigenen Heimat an, indem sie die Protagonistin Mona in sechzehn Wörtern beschreiben lässt, was sie mit dem Nahen Osten verbindet. Diese Wörter stehen exemplarisch für die persische Kultur und die Familiengeschichte Ebrahimis. Mit ihrem eigenen Humor und gesellschaftspolitischen Feststellungen vereint sie beide Kulturen.
Von Viola Bolduan
Nava Ebrahimi stammt aus dem Iran. Foto: Katrin Ohlendorf
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Nava Ebrahimi kann schreiben. Sie hat in Köln Journalistik studiert, als Redakteurin bei der Financial Times Deutschland gearbeitet und schon manche Kurzgeschichte veröffentlicht. Jetzt lebt sie in Graz als Werbetexterin und hat ihren Debütroman vorgelegt. Sie (38) ist in Teheran geboren, und über die iranischen Wurzeln einer in Deutschland aufgewachsenen Frau geht es im Buch denn auch: "Sechzehn Wörter" stehen auf der Liste alter iranischer Begriffe, die Hauptfigur Mona in den Tiefengefachen ihres Bewusstseins zwar bewahrt, aber nicht ausgesprochen hat. Sie stehen über den 16 Kapiteln nach dem Prolog, und die Autorin entdeckt ihre Bedeutung wieder, indem sie über sie schreibt und auf diese Weise ihrem kulturellen Erbe begegnet.
"Sechzehn Wörter" setzen die Familiengeschichte einer Ich-Erzählerin zusammen, die gleichermaßen befremdet wie fasziniert. Die skurrile, aber höchst starke Großmutter ist in Teheran gestorben, und also machen sich Mutter (mit 13 verheiratet) und Tochter (Erzählerin) aus Deutschland zur Beerdigung auf. "Alleine vor dem Fernseher, so sterben doch nur Deutsche..." - derart flapsig witzig ist Nava Ebrahimis Tonfall durchweg. Er ist es auch, der Verhaltens- und Denkkonflikte zwischen deutscher Gewohnheit und iranischem Wurzelgeflecht leicht lesbar macht. Auf lockerer Fahrt in den Iran erfahren wir nicht nur über Tschadors und Sittenwächter, sondern auch über das Permanent-Make-up vieler Iranerinnen, Koffergerüche und Gepäcklastenverteilung am Flughafen. Nach westlicher Lebensweise hat Mona sowohl einen iranischen Teilzeit-Liebhaber wie Kollegen-Freund in Teheran, obwohl "Sex im Iran zwischen Unverheirateten gesetzlich verboten ist". Weshalb wohl auch so oft in verbalen Anzüglichkeiten an ihn gedacht wird. Zu Hause aber wartet der blonde Jan.
Während der siebentägigen Beerdigungsrituale und einer Familien-Exkursion durch den Iran wird gleichzeitig Vergangenheit aufgebröselt wie Gegenwart erlebbar. Ganz wie nebenbei klingen gesellschaftspolitische Feststellungen durch: "Die Revolution hat jeden um irgendetwas gebracht, und alle zusammen um den Glauben, den Glauben woran auch immer." Mona ist mit ihren 34 Jahren ein mit Selbstbewusstsein gut ausgestattetes Kind beider Länder, wundert sich allenfalls und kann relativieren: Im Iran "versuchen (alle) krampfhaft so zu sein wie im Westen", wobei aber "das Leben in Freiheit so aufregend auch nicht (ist)".
DAS BUCH
Nava Ebrahimi
Sechzehn Wörter
btb-Verlag in München, 320 Seiten, 18 Euro.
Es gibt das Skandalon der Frühverheiratung der stillen Mutter und der Gefängniszeit des traurigen Vaters, die beherrschende Großmutter und das eigene Glück "nach drei Bier auf der Tanzfläche in Deutschland". Nava Ebrahimi schreibt in einem Fluss, überrascht durch eine Lakonie, die ihr Debüt heraushebt aus enggeführten Problemknäuels anderer Migrantenliteratur. "Deutschland liebt mich. Der Iran wird es auch." Das ist Zeugnis einer Selbstgewissheit, die nicht die eine Kultur gegen die andere setzen oder eintauschen muss, sondern anerkennt, dass es zwei unterschiedliche sind, die in einem Kopf zusammengehen können. Gewinnbringend.