Das Müsli-Frühstück füllt die Kasse: Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt analysieren Geschäft und Wirkung der Influencer.
BUCH. Der Beruf des Influencers ist, zugegebenermaßen, auf den ersten Blick recht einfach zu belächeln, handelt es sich dabei doch um meist junge Menschen, die Plattformen wie Instagram nutzen, um dort ihren Alltag mit der Öffentlichkeit zu teilen. Der geneigte Follower schaut seinen Social-Media-Idolen also dabei zu, wie sie gesundes Müsli frühstücken, Sport machen, Shoppen gehen, sich schminken und neue Outfits ausprobieren. Sporadisch werden dann von Unternehmen gesponserte Produkte, die der Influencer – wie man sehen kann – auch im Alltag nutzt, in die Kamera gehalten und beworben, den passenden Rabattcode gibt es gleich dazu.
Was oberflächlich banal klingt und, je nach Influencer, über weite Strecken auch banal ist, sorgt für ein hintergründiges Millionengeschäft. Influencer sind längst zu einer „der wichtigsten Sozialfiguren des digitalen Zeitalters“ aufgestiegen, wie Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen in ihrem Sachbuch-Debüt schreiben. Als Duo bekannt sind die Autoren durch ihren Wirtschaftspodcast „Wohlstand für alle“, Schmitt ist zudem mit mehreren Formaten, allen voran seiner ideologiekritischen „Filmanalyse“, bei Youtube aktiv. Um fundierte Kritik geht es dann auch in ihrem neuen Buch, das zeigt, wie das vermeintlich harmlose Teilen des eigenen Alltags und die damit propagierte Authentizität bei den großen Social-Media-Stars schon längst zur Farce verkommen ist, die einzig dem Umsatz dient.
Der zwischen den Zeilen versteckte Zynismus, mit dem die Autoren dabei kokettieren, indem sie etwa zu Beginn eines jeden Kapitels ein ausgewähltes Instagram-Bild malerisch umschreiben, funktioniert in Kombination mit dem entlarvenden Erkenntnisgewinn („Es geht im Grunde stets um das Ausstellen ansprechender Körper, die zum Konsum anregen sollen“) als eine Art Anti-Filter: So wie ein Influencer zur Verschönerung Filter um Filter auf seine Bilder und damit sich selbst legt, trennen Schmitt und Nymoen die einzelnen Schichten dieses Werbekörpers voneinander, um sie so scharf wie klar zu analysieren.
Dabei besteht die Rolle des Influencers darin, die Realisation des Kapitals für sich und seine Sponsoren sicherzustellen. „Es ist, als hätten Millionen junge Zuschauer Teleshopping-Kanäle zu ihren liebsten Fernsehsendern erkoren“, schreiben Schmitt und Nymoen, „die Social-Media-Stars erscheinen wie Freunde, die ihren Followern voller guter Absichten ein Produkt empfehlen. In Wahrheit helfen sie vor allem sich selbst.“ Das beschriebene Spiel mit der Authentizität ist, wie etwa auch der gewinnbringende Umgang mit Kritik an der eigenen Person, nur eine der vielen Facetten des Influencers, die von den Autoren mit wissenschaftlicher und popkultureller Verankerung argumentativ seziert werden.
Dass es Schmitt und Nymoen gelungen ist, eine ausgewogene Balance zwischen Anspruch und Verständlichkeit zu finden, macht aus „Influencer“ ein Werk, das Aufklärungsarbeit leisten kann – für selbstkritische Influencer ebenso wie für ihr Publikum.