Blühende Tinte: Sammelband mit Darmstädter Schülern
Von Johannes Breckner
Redaktionsleiter Bergsträßer Echo
Dieter Zeitz, Fritz Deppert (Herausgeber)Blühende TinteLyrik und Prosa von Schülerinnen und Schülern. Gesellschaft Hessischer Literaturfreunde, Verlag Justus von Liebig, 112 Seiten, 14,80 Euro.
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DARMSTADT - Zeitunglesen macht schlau. Zum Beispiel erfährt man, dass es in Argentinien einen Literaturkurs für inhaftierte Schwerverbrecher gibt. Die schreiben über Gesetze, die sie brechen, und lesen sich ihre Prosa gegenseitig vor. Annabelle Weißer schreibt über Schwerverbrecher in Argentinien und liest das in ihrem Literaturkurs vor. Ihr Gedicht "Die Zeitung von heute oder Was ich mit Schwerverbrechern in Argentinien zu tun habe" ist eine der witzigsten Entdeckungen in diesem Sammelband mit literarischen Texten von Darmstädter Schülern. Die Autorin war 18, als sie das schrieb, und mit welchem Humor sie begabt ist, zeigt auch ein anderes Gedicht, in dem sie die großen Begriffe von Freiheit und Glück spielerisch miteinander in überraschende Beziehungen setzt.
Was denken sie und wie formulieren sie es?
Es gibt eine ganze Reihe so schöner Fundstücke in der Anthologie, die Fritz Deppert und Dieter Zeitz herausgegeben haben. Sie wollten in Beispielen zusammenstellen, welche Literatur an Darmstädter Schulen entsteht - um zu erfahren, worüber junge Menschen schreiben, was sie denken, wie sie es formulieren. Sie suchten Kontakt zu zwei Schulen, in denen junge Menschen gezielt zum Schreiben angeregt werden. Am Ludwig-Georgs-Gymnasium leitet Achim Würker eine Schreibwerkstatt, in der Lyrik und Prosa entstehen. Die Bertolt-Brecht-Schule schreibt alle zwei Jahre einen Lyrikwettbewerb unter Schülern aus Darmstadt und dem Kreis Darmstadt-Dieburg aus, der beachtliche Ergebnisse hervorbringt. Das vor allem waren die Quellen der Herausgeber, die aber nicht nur Siegertexte des Wettbewerbs aufgenommen haben, sondern auch besondere literarische Formen wie eine kurze dramatische Szene und eine Ballade.
Die Suche nach den Texten war gar nicht so einfach, aber sie hat sich gelohnt. Die Sammlung überrascht beispielsweise durch mutige Zugriffe auf große Themen. So erzählt Marlene Heilmann in den "Briefen an Johannes" vom Verlust eines geliebten Menschen - und schildert am Ende die tröstende Kraft, die Schreiben selbst dann entfaltet, wenn das Gegenüber nur ausgedacht ist. Überhaupt geht es manchmal ums Schreibenkönnen, und wenn Darya Sotoodeh von einem erfolglosen Schreibversuch erzählt, hat sie sich mit Ironie selbst widerlegt.
Die Vielfalt und Eigenständigkeit der Stimmen hält das Interesse wach und nährt die Hochachtung vor diesen jungen Autoren. Und manchmal wird die Betrachtung über das Leben auch so sympathisch in Worte gepackt wie von Jana Woydt, die sich in "Die Bestellung" zwei Leben wünscht, in Luftpolsterfolie gepackt und ohne Beilagen serviert. Und am Ende dieser wunderbaren Miniatur streift sie den Tiefsinn, ohne altklug zu wirken. "Wenn ich satt bin, will ich keine Rechnung erhalten, sondern nur das beigelegte Stück Schokolade und einfach gehen."