In unserer Reihe „Sprache unter der Lupe“ nimmt Lutz Kuntzsch von der Gesellschaft für deutsche Sprache diesmal Wiesbadener Straßennamen ins Visier.
Von Lutz Kuntzsch
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WIESBADEN - Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher der Name Ihrer Straße kommt? Die Anwohner des Bismarck-Rings, der Kaiser-Friedrich-Straße (nach der Norm mit Bindestrichen durchkoppeln) oder der Bahnhofstraße haben es bei einer Auskunft recht einfach. Aber schon bei an und für sich bekannten Personen könnte es zu Fragen der Herkunft kommen: Comenius-, Diesterweg- und Lipsiusstraße? Allesamt im Pädagogischen unterwegs: Letztere möglicherweise auch zur Ehre eines Architekten Lipsius? Wer verbindet die Zamenhofstraße mit dem Erfinder des Esperanto, die Senefeldergasse mit der Lithografie oder die Birostraße mit dem Kugelschreiber? Eine Kellerstraße kann wie die Körnerstraße auf eine Person oder eine Sache zurückgehen, der Mümlingweg auf das Flüsschen und die Welfenstraße auf ein Fürstengeschlecht. Orte in Straßennamen sind da einfacher zu erkennen: Die Mainzer Straße führt zur Stadt, die Klarenthaler Straße zum Stadtteil, andere Städte werden (nur) genannt: Dresdner, Moskauer oder Schlesische Straße. Ein beliebtes Benennungsmotiv wie die Kirche kann für viele Straßen dienen: An der Kirche, Kirchgasse, Kirchenpfad… und (nicht so leicht zu erschließen) Kirchenreulchen. Das Reulchen ist ein enger Durchgang, Fußweg.
Viele Namen zeugen von Kreativität. Nur in Mannheim gibt es Buchstaben und Zahlen: R 5, 6-13 – so beispielsweise die Adresse des Instituts für deutsche Sprache. In Wiesbaden gibt es über 30 Straßen mit dem Muster „Im/In der …“: Im Brückfeld, Im Gebück, Im Herzen, Im Nachtschatten, Im Sachsengraben, In den Langen Ruten, Im See (!). Auf der Märchenwiese liegt der Aschenbrödelweg neben dem Dornröschenweg und dem Froschkönigweg. Diese Beispiele zeigen, wie Teile der mannigfaltigen Umgebung in den Namensschatz einfließen und somit – auch durch den häufigen Gebrauch in allen möglichen Adressangaben – im Gedächtnis bleiben. So vielleicht auch die Faulbrunnenstraße (vom faulen Geruch oder von den faulen Waschfrauen) – in einer anderen Stadt gibt es eine Faule Straße; da fault nichts, sie ist nur sehr kurz, also „zu faul“, länger zu sein. Schöne Idee. Sehr lang hingegen ist manche Straße und nicht nur jene nach Süden...