Die deutsch-dänische Serie erzählt die Katastrophe, die wir zurzeit erleben, in einem lang anhaltenden Spannungsbogen und läuft in acht Folgen auf ZDFneo am 23. und 24. Juli.
. Händewaschen, Mundschutz, Abstandhalten, Ausgangssperre, Warn-App, Einreiseverbot, Grenzschließung, Evakuierung – die Tröpfchen-Infektion grassiert und wird zur Pandemie. Was seit Jahresanfang auf unserer Welt geschieht, ist in der Katastrophen-Serie „Sløborn“ vorausgesehen – erschreckend genau. Im Standbild und Trailer fließt Blut aus dem Auge: „Taubengrippe“ nennen die fünf Drehbuch-Autoren die verheerende Krankheit, die sie zu einer Zeit erfunden haben, als in der realen Welt noch so manches in Ordnung schien. 2018 konzipiert, Ende 2019 auf Norderney und Sopot (Polen) gedreht, wurde die Postproduktion der Serie „Sløborn“ Anfang dieses Jahres vom real existierenden Coronavirus kalt erwischt. „Aufregende Erfahrung“ für die ZDF-Hauptredaktion, als eine TV-Produktion „auf dramatische Weise sehr real wurde“. Deshalb rücken die „Sløborn“-Folgen in ZDFneo jetzt auch zur Primetime am 23. und 24. Juli ins Programm.
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Und das zu Recht. Die deutsch-dänische Koproduktion ist die mutig und exzellent konstruierte Fiktion eines pandemischen Katastrophenfalls – so wie er heute die Realität bestimmt. Der Film hat vieles vorausgesehen: das allmähliche Erkennen der Gefahr, den gesellschaftlich verstörenden Ausbruch der Krankheit, Panik und Verschwörungstheorie, Zustände in Krankenhäusern, die politischen Konsequenzen … Da kann man nur hoffen, dass wenigstens der Film-Schluss mit bewaffneter Patrouille, Zwangsevakuierung und Schießbefehl für die Bundeswehr in der Fantasie der Autoren stecken bleibt.
Die so fatal glänzende Vorausschau auf das Pandemie-Geschehen ist das eine – das andere die hervorragende formale Leistung von Kamera (Christian Alvart), Szenenbild und Schnitt, die unheimlich suggestive Musik (Christoph Schauer/Max Filges) und verlässliche Regie (wieder der „Tatort“-erprobte Christian Alvart, mit Adolfo Kolmerer). Unter dieser Regie arbeiten deutsche und dänische Darsteller und Darstellerinnen Hand in Hand: Wotan Wilke Möhring (mit mehr als einem Drei-Tage-Bart) und Roland Møller, sowie Mads Hjulmand, wobei die Letzteren als sehr unterschiedliche Brüder im Film auch dänisch sprechen (mit deutschen Untertiteln) und – vor allem Hauptfigur Evelin, dargestellt von Emily Kusche. Die junge Frau steht im Mittelpunkt, muss in der Krise nicht nur sich und ihr werdendes Kind schützen, sondern auch ihre Eltern und Brüder sowie Klassenkameraden betreuen. Die filmische Altersangabe als 15-Jährige wirkt da weniger glaubhaft als die blutige Träne in Emily Kusches großem, glattem Gesicht. Sie ist schwanger, krank oder schließlich doch immun?
Pro und Contra gegenüber einer autoritären Politik
Die Story in der Katastrophe ballt einen ganzen Komplex aus Generationenkonflikt, Schülerstreit, Bruderzwist, Egoismus, Mobbing, Drogensucht und -handel, Investitionsblase, Präventionsprojekt für straffällig gewordene Jugendliche dicht zusammen in einen lang anhaltenden Spannungsbogen mit erheiternder satirischer Spitze gegen aufgeblähtes Autorentum. Alexander Scheer brilliert als süchtiges Ingeborg-Bachmann-Preisträger-Möchtegern-Genie (Buchhändlerin: „Ich habe alles von Ihnen gelesen“) beim kalten Entzug. Die Masse der unterschiedlichen Themen fließt ein in den wachsenden Zugriff der Seuche und ihrer Bekämpfung und löst sich auf in ein Pro und Contra gegenüber einer autoritären Kontroll-Politik, weil sie selbst die Kontrolle über die Ausbreitung des Virus verloren hat. Sehr am Puls der Zeit bleibt auch die Verwendung elektronischer Medien, die die Handlung vorantreibt und sehr subkutan die eingeblendeten, sich steigernden öffentlichen Nachrichten. Die Aufforderung „Bewahren Sie Ruhe“ kommt zum Ende: „Kein Signal“.
Bis dahin aufregende, vielperspektivische, bittere und schmerzhafte acht Folgen (die ersten sieben Folgen 45 Minuten, 60 Minuten der Showdown in der achten), die wir in unserer Gegenwart leider sehr präzise nachvollziehen können und aus denen wir auch vieles lernen sollten. „Sløborn“: ein Muss.