Wladimir Kaminer: „Putin ist ein Garagen-Rentner“

Wenn es eigentlich nichts mehr zu lachen gibt, bleibt immer noch der Galgenhumor. Das gilt auch für Wladimir Kaminers jüngsten Ausflug in die Gegenwart in seinem neuen Buch "Frühstück am Rande der Apokalypse".
© dpa

Seit „Russendisko“ gilt Wladimir Kaminer als Deutschlands Russlanderklärer. Nun hat er ein neues Buch veröffentlicht. Ein Gespräch über Putin, Netrebko und Humor in Kriegszeiten.

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Herr Kaminer, Ihr neues Buch „Frühstück am Rande der Apokalypse“ ist viel ernster als all Ihre anderen Bücher. Ist es für Sie in Zeiten des Krieges unmöglich, ein lustiges Buch zu schreiben? 

Ich finde das Buch durchaus lustig. Ich sehe in der Tragik des Krieges auch einen großen Witz. Das Leben ist eine Tragödie, die wir ausblenden und tun so, als würden wir ewig leben und als sei alles in Ordnung. Aber natürlich ist eine Tragödie eine Sackgasse. Doch würden wir uns das immer bewusst machen, würden wir nur weinen und kämen nicht weiter. Eine Tragödie ist auch lächerlich, und auch dieser Krieg und der russische Präsident sind lächerlich.

Für die ukrainische und die russische Bevölkerung ist dieser Krieg nicht nur eine Tragödie, sondern eine Katastrophe. 

Die staatlichen russischen Medien versuchen, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass es kein Krieg, sondern nur eine Spezialoperation ist. Viele Russen nehmen den Krieg deshalb nicht als Krieg, sondern als eine Art Naturereignis wahr. Vor kurzem hat sich vor der Brücke zur Krim ein 13 Kilometer langer Stau gebildet, weil die Russen in einer Gegend Urlaub machen wollen, die erst vor kurzem okkupiert worden ist und die die inzwischen stärkste Armee Europas jetzt zurückerobern will. Diese Leute wollen ihre Kinder im Schwarzen Meer baden lassen, in dem seit der Explosion des Kachowka-Staudamms unter anderem Tierkadaver treiben. Es gibt auf der Halbinsel kaum sauberes Trinkwasser, alles ist in einem katastrophalen Zustand, es herrscht Krieg – aber Urlaub auf der Krim muss sein!

Wie konnte es zu diesem Krieg kommen?

Ich habe schon aus sehr vielen Quellen, denen ich vertraue, gehört: Putin ist der reichste Mann der Welt. Öl und Gas haben ihn so reich gemacht. Er musste dafür nicht viel machen, nur kassieren. Das ist der Fluch der Ressourcen-Wirtschaft. Irgendwann hatte Putin so absurd viel Geld, dass er sich immer mehr vom Geld abgewandt und dem großen Thema aller Garagen-Rentner zugewandt hat.

Was sind Garagen-Rentner? Und was ist ihr großes Thema?

Putin ist ein Garagen-Rentner, also ein Mensch, der eigentlich schon das Rentenalter erreicht hat, sich aber noch total fit fühlt. Das große Thema der Garagen-Rentner ist die Geopolitik. Sie sitzen in Russland auf der Bank hinter der Garage und sagen: „Der Amerikaner ist frech geworden. Das kann man sich doch nicht gefallen lassen.“ Dann machen sie sich noch eine Flasche Bier auf. Leider ist das Geplauder eines einseitig gebildeten, soziopathischen Garagen-Rentners zur Weltpolitik geworden, die nun den ganzen Planeten gefährdet.

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Was treibt Putin an? 

Er will Russland, das große Land, das quasi aus der Geschichte rausgeschmissen wurde, wieder groß und stark machen. Er will, dass alle dieses Imperium akzeptieren und Angst vor ihm haben. Das hat furchtbare Folgen. Wie soll die heutige Welt mit einem solch komischen Imperium umgehen? Man kann gegenüber diesem Imperium viele Gefühle entwickeln: Ekel, Hass Gleichgültigkeit. Aber so ein Ding in der unmittelbaren Nachbarschaft zu haben, das von sich denkt, im Meer der Verdorbenheit und der im Untergang begriffenen kapitalistischen Staaten das letzte Bollwerk des Abendlandes und der Moral zu sein, das ist doch irre!

Wer wird den Krieg gewinnen?

Moralisch haben die Ukrainer den Krieg schon jetzt gewonnen. Militärisch wird derjenige gewinnen, der am meisten in der Tasche hat. Das ist wie beim Pokerspiel. Natürlich spielt es auch eine Rolle, ob man schlau spielt und gute Karten hat. Aber am Ende gewinnt normalerweise derjenige, der immer finanziellen Nachschub hat. 

Wer hat die tieferen Taschen? 

Die Taschen der EU und der USA sind hundertmal so tief wie die Taschen Russland, aber es ist die Frage, ob sie auch die Bereitschaft haben, entsprechend viel auszugeben.

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In Ihrem neuen Buch schreiben Sie, dass Sie mit Ihren Kindern das Verhalten bei einem Atomangriff auf Berlin üben wollten. Haben Sie Angst vor einem Nuklearschlag? 

Überall auf der Welt gibt es eine große Bewegung von Menschen, die sich auf die Apokalypse vorbereiten, Bunker bauen und Vorräte anlegen. Das ist für mich keine Perspektive, in einer solchen Welt möchte ich nicht leben. Auch nicht im Bunker. Meine Generation ist im Schatten des Kalten Krieges aufgewachsen, wir waren ständig mit dem Thema konfrontiert. Meine Zeitgenossen haben Witze darüber gemacht. „Was tut man im Falle eines Nuklearschlags? Man wickelt sich in ein weißes Laken und krabbelt langsam Richtung Friedhof.“

Also lieber Witze machen als Angst haben?

Jeder vernünftige Mensch sollte Angst haben. Angst ist nichts, wofür man sich schämen sollte. Angst ist ein zutiefst menschliches und lebensrettendes Gefühl. Aber man darf sich nicht von diesen Ängsten verleiten lassen. Das sehen wir an der EU-Politik gegenüber der Ukraine. Wenn nur die Angst regiert, werden in der Regel idiotische Entscheidungen getroffen. Andererseits werden Menschen ohne Angst – wie der russische Präsident – zu einer Gefahr für die Gesellschaft. 

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Schämen Sie sich, Russe zu sein?

(Denkt lange nach) Nein, gar nicht. Ich schäme mich nur ein wenig für diese unglückliche politische Entwicklung. Wir haben immer gedacht, dass die sowjetische Diktatur schuld daran ist, dass die Menschen unfrei leben, denken und handeln. Aber jetzt ist die Sowjetunion seit über 30 Jahren nicht mehr da war. Und erst jetzt merken meine Landsleute, was für eine große Katastrophe die Sowjetunion war. Ein Leben in Unfreiheit hinterlässt einen psychischen Schaden, der nicht in 30 Jahren wiedergutzumachen ist. Die menschliche Psyche ist so träge. 

Welche Rolle spielen russische Künstler im Krieg?

Im Gegensatz zu vielen Schauspielern und Theatermachern haben sich die meisten Musiker sehr mutig verhalten und sich klar vom Regime distanziert. Von den Helden meiner Generation, den alten Rockern, bis zu den modernsten Rappern, diesen leichtsinnigen Hohlköpfen mit den tätowierten Gesichtern – sie alle haben sehr stark zum Ausdruck gebracht, was sie vom Krieg halten. Viele von ihnen mussten das Land verlassen, werden jetzt als ausländische Agenten verfolgt. Für mich war es eine große Erleichterung, dass ausgerechnet die Musiker, also nicht gerade die hellsten Kerzen auf der Kulturtorte, sich so vorbildlich verhalten haben. 

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Anna Netrebko hat sich zunächst nicht klar vom Krieg in der Ukraine distanziert.

Ja, sie ist blöd.

Finden Sie es richtig, dass sie deshalb nicht nur auf deutschen Bühnen gecancelt wird? 

Nein. Sie soll ja nicht wegen ihrer politischen Aktivitäten eingeladen werden, sondern wegen ihrer wunderschönen Stimme. Solange sie keine Kriegshetze betreibt, soll sie weitersingen.