WEITERSTADT - Über zwanzig Filme laufen zur Eröffnung des Weiterstädter Filmfestes am Donnerstag, 10. August, im Braunshardter Tännchen. Nach dem musikalischen Auftritt des Liedermacherinnen-Duos „Gypsea Blue“ ab 20 Uhr beginnt um 21.30 Uhr das Waldkino, wo gleich am Anfang Völkerverständigung und terroristischer Rassismus dicht beieinander liegen, und gegen Ende eines langen Kinoabends geht es sogar bis zum Mars.
Willkommen im Asylantenheim
So geht Willkommenskultur: Ein Ehepaar kehrt nach einer Wanderung beim „Bockschneider Wirt“ ein. Kellner und Koch aber verstehen nicht, was die Gäste wollen, denn das Lokal ist längst ein Asylbewerberheim. Und so halten die Flüchtlinge Karim, Sinan und Achmed in der Verwechslungskomödie „Die Herberge“ (ab 21,34 Uhr, neun Minuten Laufzeit) von Ysabel Fantou die Ausflügler für die angekündigten Deutschlehrer. Da kriegen die Einheimischen eine Lektion in arabischer Gastfreundschaft, und die Deutschen erklären, dass Wandern sowas ähnliches wie Migration nur ohne Flucht sei. Heile Welt im Film.
In der Realität ist die Welt aus dem Lot. Und das zeigt der Essayfilm „Tiefenschärfe“ (ab 21.51 Uhr, 15 Minuten) sinnfällig dadurch, dass die horizontale Bildachse immer wieder kippt. Mareike Bernien und Alex Gerbauleit filmen gesichtslose Orte in Nürnberg, an denen so gar nichts bemerkenswert wäre, wenn dort nicht die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund zwischen 2000 und 2005 drei Morde an einem Blumenhändler, einem Dönerverkäufer und einem Änderungsschneider verübt hätte. Erst die Reflexionen des Off-Kommentars rücken die Ansichten aus der grauen Überallstadt auf verstörende Weise in zeitgeschichtliche Dimensionen. Als Zuschauer sucht man nach Anhaltspunkten für das Unbegreifliche und findet nur ein Schild: „Es muss a Ruh geben“ an einem Laden.
Die Wirklichkeit ist nicht auszuhalten – nicht in Nürnberg und nicht auf dem Mars. Dort klicken Astronauten bei jeder Gelegenheit die „Augmented Reality“-Funktion in ihren Helmen an, um nicht buchstäblich rot zu sehen. Stattdessen schaut der Rote Planet dann in der Simulation so grün und waldig aus wie Mutter Erde. Vom spacigen Hirnspuk erzählt der Franzose Guillaume Rieu in seinem kurzen Science-Fiction-Film „Mars IV“ (23.20 Uhr, 15 Minuten), den man als Antwort auf Ridley Scotts „Marsianer“ nehmen kann, wo ein Robinson-Raumfahrer zum Kartoffelbauern wird. Das Einzige, was hier sprießt, ist Paranoia. Die Astronauten halluzinieren und finden dann auch noch Gold. Nur gut, dass ein Roboter über den Wahnsinn wacht. Bald grüßen am roten Himmel denn auch noch andere Zentralgestirne des Genres wie „Stalker“ und „2001“.