„Tatort: Schlangengrube“ bietet viel Münsteraner Witz, aber auch eine klug konstruierte Geschichte
Von Johanna Dupré
Redaktionsleiterin Kultur Mainz
Bei Ermittlungen im Zoo wächst dem Polizisten Thiel (Axel Prahl) Pinguin Sandy ans Herz. Foto: ARD
( Foto: ARD)
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Was würden Sie heute denn lieber essen: „Die kühle Blonde aus dem Aasee“ oder die „Mumie im Moor“? Wie, keins von beidem? Das dürfte Professor Boerne aber gar nicht freuen. Schließlich hat der profilneurotische Gerichtsmediziner es sich in den Kopf gesetzt, mit einer Fernseh-Show namens „Boerne kocht“ dem gemeinen Volk zumindest einen Abglanz seiner Kultiviertheit angedeihen zu lassen. Medienproduzent Dr. Stockmann (Robert Hunger-Bühler) soll das ermöglichen. Bis es so weit ist, wird Kollege Thiel schon mal als erstes Opfer der selbstverständlich nur kannibalistisch klingenden „Forensischen Küche“ verhaftet. Dabei hat er gerade ganz andere Sorgen. Eine Radtour mit Vater Herbert steht kurz bevor – aber Wilhelmine Klemm will ihn dazu bringen, seinen Urlaub zu verschieben. Schließlich ist ausgerechnet ihre verhasste Nachbarin Patrizia Mertens unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen. Die Münsteraner Staatsanwältin (Mechthild Großmann) steht so plötzlich selbst als Tatverdächtige im Visier ihrer Konkurrentin Frau Ungewitter (Tessa Mittelstaedt, „Tatort“-Zuschauern vor allem als Franziska bekannt, langjährige Assistentin der Kölner Kommissare).
Fall entwickelt sich mit der Präzision eines Uhrwerks
Es hilft alles nichts, Thiel muss schließlich ran. Er landet (weil die so steinreiche wie todkranke Patrizia Mertens dort Dauergast war) als Undercover-Ermittler im Zoo. Dort erwirbt er sich das Vertrauen der Pinguindame Sandy (auch im echten Leben ein Münsteraner Tierstar) – bevor der Fall mit einer Portion Irrsinn vollends ins Angenehm-Absurde abdreht.
Zugegeben, in „Tatort: Schlangengrube“ kommen ganz schön viele Handlungsstränge zusammen – zumal in dieser kurzen Übersicht nicht einmal alle erwähnt sind. Aber das ist hier ausnahmsweise mal kein Manko. Die Geschichte aus der Feder von Jan Hinter entwickelt sich in der Regie von Samira Radsi mit der Präzision eines Uhrwerks: Jede Szene hat ein klares Ziel und treibt die Handlung voran, und am Ende war keiner der zunächst beiläufig wirkenden Handlungsbausteine unwichtig.
Bei Ermittlungen im Zoo wächst dem Polizisten Thiel (Axel Prahl) Pinguin Sandy ans Herz. Foto: ARD Foto: ARD
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Das gibt dem Zuschauer nicht nur Gelegenheit zum krimi-klassischen Täterraten. Die Stringenz, mit der sich der Fall entwickelt, gibt auch die nötige strenge Folie für den münstertypischen Humor: Jan-Josef Liefers, Axel Prahl und die bis in die Nebenrollen überzeugenden Darsteller können mit Witz, Wahnsinn und Sticheleien brillieren, ohne dass das Ganze zu sehr in Richtung Klamauk abdriftet. Genau das ist den quotenstarken Münsteranern ja zuletzt immer öfter vorgeworfen worden, bis hin zu Vermutungen, dass sich das Format totgelaufen hat. „Schlangengrube“ bietet keinerlei Anhaltspunkte für Ermüdungserscheinungen – schade, dass es in diesem Jahr Thiels und Boernes einziger Fall bleiben wird.