Die Schau versammelt Porträts von Patriziern, Bürgern und dem Prekariat aus 300 Jahren. Darunter auch angebliche Verbrecher wie Joseph Süß Oppenheimer.
FRANKFURT. Dem Mann steht die ganze Welt offen, der Ehefrau bleibt nur ihr kleines Reich in der Wohnstube. So stellte es Conrad Faber von Kreuznach im Jahr 1536 auf dem Doppelbildnis des Justinian von Holzhausen und seiner Frau Anna dar. Hinter dem Mann erlaubt ein geöffnetes Fenster den Blick auf die Landschaft, während die Frau vor geschlossenem Butzenfenster und vor den Wänden der Stube platziert wurde. Zwischen den beiden sitzt ein nackter Amorknabe, der ihre Liebe symbolisiert. Die Frau gibt ihm Weintrauben, der Mann greift nach dem funkensprühenden Liebespfeil.
Das Bild ist das Hauptwerk des Zeitgenossen von Albrecht Dürer. Faber von Kreuznach hat mehrere Mitglieder der von Holzhausens porträtiert, die zu den angesehensten Patrizier-Familien in Frankfurt gehörten und von 1243 an die Geschicke der Stadt bestimmten, bis zum Ableben des letzten Vertreters 1923. Von der Familie besitzt das Frankfurter Städel rund 90 Porträts, die im Lauf der 700 Jahre entstanden. Jochen Sander vom Städel bringt einige dieser Bilder als Gastkurator mit ins Museum Giersch zu einer beeindruckenden Schau über Porträts von der Renaissance bis zur Aufklärung. Das erste Holzhausen-Porträt von 1523 hat noch einen neutralen Hintergrund, aber innerhalb weniger Jahrzehnte wurde immer prächtiger mit Landschaften und häuslichem Ambiente ausgeschmückt. So belegt die Schau an wenigen Beispielen die Entwicklung der Bildnisse in der Renaissance.
Bürger konnten sich nur mit Bildung behaupten
Die von Holzhausens sammelten sogar Porträts von anderen Familien, wie eine Wiederentdeckung in der Frankfurter Unibibliothek zeigt. Rund 1250 Druckgrafiken des 16. bis 18. Jahrhunderts trug nämlich Joachim Andreas Sauer zusammen, allesamt Bildnisse von Frankfurter Honoratioren. Nach Sauers Tod ging dieser Bestand in den Besitz der Holzhausens über.
Dagegen fällt die Sammlung des Advokaten Heinrich Kellner etwas aus dem Rahmen, da sie nicht auf Porträts konzentriert ist. Aber das Kunstbuch, das Kellner erst kurz vor seinem Tod 1588 angelegt hat, ist eine kleine Sensation und wurde erst kürzlich entdeckt. Kellner hat das Buch nur mit wenigen Zeichnungen und Druckgrafiken gefüllt, darunter fromme, auch kirchenkritische und sogar erotische Motive wie ein eindeutig sich vergnügendes Paar, ein Mönch und eine Nonne.
Ganz anders das Bild eines Baumes, der gar seltsame Früchte trägt. Es sind Wappen, die von den Ästen hängen, darunter stehen die Geschwister Maria Justina und Johann Maximilian zum Jungen. Die Wappen symbolisieren ihre Vorfahren über Generationen hinweg, um zu zeigen, zu welch herausgehobener Elite die Patrizier-Familie in Frankfurt gehört hat. Denn zur Entstehungszeit des Gemäldes 1634 konnte ein Wappen auch die Person ersetzen, es galt fast so viel wie ein Porträt.
Die Patrizier zählten über viele Jahrhunderte zur Oberschicht, sie regierten die Städte. Einfache Bürger konnten sich gegen sie nur durch Bildung behaupten, was im nächsten Raum deutlich wird. Die hier versammelten Herren waren Wissenschaftler – und sind ob der ähnlichen Bildnisse kaum voneinander zu unterscheiden. Nur als Gruppe von Gelehrten, so die Botschaft, sind wir stark, nicht als Individuen. Hier wie da, bei Patriziern wie Bürgern, diente das Porträt folglich nur der Repräsentation.
Freilich tauchen in vielen Familien-Sammlungen sogar echte und angebliche Verbrecher auf, als wollte man sich der sozialen Grenzen vor dem Prekariat vergewissern. Am bekanntesten ist Joseph Süß Oppenheimer (um 1692/98-1738), dessen tragische Geschichte als „Jud Süß“ noch die Nazis ausgeschlachtet haben. Oppenheimer, der Berater des Herzogs von Württemberg, wurde nach dessen plötzlichem Tod übel diffamiert und alsbald am Galgen hingerichtet. Die Schau zeigt eine aufschraubbare Spottmedaille und deren Inhalt, kolorierte Kupferstiche, die von Oppenheimers Leben bis zum bitteren Ende berichten.