Vietnam-Veteranen werden zu Schatzsuchern auf dem Schlachtfeld ihrer Jugend. Bald merken sie: Der Krieg ist in ihren Köpfen.
. Vier amerikanische Vietnam-Veteranen kehren nach 50 Jahren zurück auf ihr Dschungel-Schlachtfeld. Sie wollen die sterblichen Überreste ihres Anführers bergen – und eine verschüttete Kiste mit CIA-Gold. Es ist eine dieser ganz und gar typischen Abenteuer-Storys, irgendwo zwischen „Der Schatz der Sierra Madre“ mit Bogart und „Three Kings“ mit Clooney. Und doch ist „Da 5 Bloods“ von Spike Lee (63) zugleich ein ganz und gar untypischer Film, denn der Regisseur und Ko-Autor hat die zunächst in einem alten Skript festgelegte Hautfarbe der Helden von Weiß in Schwarz geändert. Und das macht aus der altbekannten Story eine Geschichte, wie sie doch noch nicht erzählt wurde.
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Afroamerikaner kämpften zwar überproportional zu ihrem Bevölkerungsanteil gegen die Vietcong, gewürdigt wurde das aber kaum. Ganz explizit zitiert der Film „Apocalypse Now“ und kritisiert „Rambo“. Hollywood wolle sich nur an der Historie revanchieren und den Vietnamkrieg doch noch gewinnen. So lautet Spike Lees ätzende Genrekritik.
Vor allem aber wirkt sein Film, der nun bei Netflix läuft, angesichts der Unruhen nach dem Tod von George Floyd vor einem Monat in Minneapolis und der weltweiten Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung derart tagesaktuell, wie ein Film das wegen seiner langen Produktionsprozesse sonst gar nicht sein kann.
Der Regisseur selbst, der seine Werke wie zuletzt „BlacKkKlansman“ stets gesellschaftskritisch ausformt und die Geschichten dabei auch gerne überfrachtet, schlägt zwischen Prolog und Epilog den Bogen von der Bürgerrechtsbewegung der späten Sechziger zu den Folgen der Polizeigewalt heute. In den zweieinhalb Stunden dazwischen schaltet Spike Lee immer wieder kurze Geschichtslektionen, weshalb dieser Film auch Züge von epischem Theater trägt. Spike Lee will eben immer alles, oft auch zu viel, aber hier glückt ihm das meiste. Das Lehrstück steht weder der Kumpelkomödie des Anfangs noch dem brutalen Kriegsfilm am Ende im Weg. Das liegt vor allem daran, dass Spike Lee seinem starken Ensemble vertraut.
Eddie (Norm Lewis), Otis (Clarke Peters), Melvin (Isiah Whitlock jr.) und Paul (Delroy Lindo) legen los, als sollte es eine Sause wie in „Hangover“ werden. Doch der Krieg ist noch immer in ihren Köpfen, was man auch daran sieht, dass dieselben Schauspieler auch ihre Jugendrollen in den Rückblenden verkörpern. Das ergibt einen wirkungsvollen Verfremdungseffekt: Ihr verehrter Anführer Stormin‘ Norman, der bei einem Einsatz fällt, ist in Gestalt von Chadwick Boseman so jung wie an seinem letzten Tag, seine vier „Blutsbrüder“, die der Titel beschwört, geistern hingegen gealtert durch ihre eigenen Erinnerungen.
Die Konfrontation mit der Vergangenheit setzt vor allem Paul zu, in dem der Krieg als Trauma wütet. Dass sich auch sein Sohn David (Jonathan Majors) auf die Schatzsuche begibt, macht die Goldgräberei zwischen Minenfeldern zu einem schwarzen Generationenprojekt. Wie Delroy Lindo in seiner Figur die unbezähmbare Wut des Vaters entfesselt, wie er heult, betet und klagt, das alles schreit nach Erlösung. Und es löst sich in einer Epiphanie: Der tote Kamerad Norman erscheint den Männern als ein Messias wie Martin Luther King und Malcolm X. Das macht Spike Lees aktuelles Polit-Pamphlet auf der Seelenebene seiner Figuren ganz und gar zeitlos.