Nachruf auf Helmut Düvelsdorf

Seine letzte Rolle: Mit dem Beckett-Monolog "Das letzte Band" verabschiedete sich der Schauspieler Helmut Düvelsdorf im Jahr 2000 von der Bühne. Archivfoto: Cornelia Illius

Wer als Regisseur an den Schauspieler Helmut Düvelsdorf geriet, konnte was erleben. Friedo Solter beispielsweise, der in Darmstadt Heiner Müllers "Auftrag" inszeniert hatte,...

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DARMSTADT. Wer als Regisseur an den Schauspieler Helmut Düvelsdorf geriet, konnte was erleben. Friedo Solter beispielsweise, der in Darmstadt Heiner Müllers "Auftrag" inszeniert hatte, lobte anschließend das homogene Ensemble. "Dann haben Sie keine Ahnung vom Theater", erklärte Düvelsdorf dem damaligen DDR-Regiestar. Denn er hatte erlebt, wie die Geschlossenheit der Aufführung erheblichen persönlichen Spannungen unter den Kollegen abgetrotzt war.

Der Schauspieler Helmut Düvelsdorf, der im Alter von 79 Jahren gestorben ist, kannte die Gefährdungen seines Berufes. "Theaterleute sollen immer sensibel sein", sagte er einmal, "dabei kann es in diesem Job knochenhart zugehen." Er wusste es aus eigener Erfahrung, und er war keiner, der seine Erkenntnisse verbarg. Falsche Harmonie war ihm zuwider, Widerstand gegen Anpassungsdruck eine Selbstverständlichkeit. Düvelsdorf war stolz auf den Ruf, unbequem zu sein, und er arbeitete noch im Ruhestand daran, als er unter dem Titel "Finito!" seine Memoiren veröffentlichte und in scharfen Formulierungen austeilte. Es ist ein Bericht, in dem die dunklen Seiten überwiegen, die Erinnerungen an Reibereien und Verletzungen. Mit vielen Menschen hatte der Schauspieler sich im Laufe seines Lebens angelegt. Menschliche und künstlerische Enttäuschungen gingen für ihn häufig Hand in Hand. Aber Düvelsdorf war nicht nur zum Zorn fähig, sondern auch zur Treue jenen Kollegen gegenüber, bei denen er Fairness und Wertschätzung fand.

Ja, Helmut Düvelsdorf, spezialisiert auf schwere, bärbeißige Typen, ein Kraftschauspieler, war ein dünnhäutiger und empfindsamer Mann. Das erst gab seinen Charakteren Tiefe. Auch das mag eine Folge seines Werdegangs sein. Der aus Bremen stammende, 1938 geborene Theaterbegeisterte musste hart schuften, um die Schauspielausbildung finanzieren zu können. Aber er biss sich durch und stand über vierzig Jahre auf deutschen Bühnen, mehr als ein Vierteljahrhundert davon am Staatstheater in Darmstadt, an das Günther Beelitz ihn geholt hatte. Das Publikum liebte diesen starken Typen, der Komödien wie Tragödien mit seiner starken Präsenz bereicherte und ein Talent für die feinen Zwischentöne besaß. Und der professionell blieb, auch wenn ihm das Ergebnis auf der Bühne gar nicht gefiel. Düvelsdorf kannte Intendanten und Regisseure, Kurt Horres blieb für ihn eine Vaterfigur, mit Eike Gramss und Jens Pesel arbeitete er gerne zusammen, und er war Gerd-Theo Umberg aufrichtig dankbar dafür, dass er ihm nach schwierigen Jahren Mitte der Neunziger die Lust am Theaterspielen wiedergegeben habe. Wenn er aber von Regisseuren und Dramaturgen erzählte, bei denen der künstlerische Ehrgeiz größer war als der Respekt vor dem Autor, konnte er sich noch als Ruheständler in Rage reden. Aber nur deshalb, weil er seine Sehnsucht nach einem unverfälschten, leidenschaftlichen Theater verteidigte.

Als er sich mit dem Beckett-Monolog "Das letzte Band" von der Bühne verabschiedete, beteuerte Helmut Düvelsdorf, wie leicht ihm der Abschied von der Bühne falle. Es war das einzige Mal, an dem man an der Aufrichtigkeit seines Bekenntnisses Zweifel empfand.