Die Autorin Susann Pásztor stellte ihren jüngsten Roman „Die Geschichte von Kat und Easy“ im Rahmen einer Lesung des Literarischen Zentrums Gießen vor.
GIESSEN. Rückblende ins Jahr 1973: Zwei 16-jährige Mädchen erleben ihre erste Liebe, ihre Ängste und Hoffnungen und ein entscheidendes Ereignis, welches sie für ihr Leben prägen wird und das in einer Zeit, die längst nicht so frei offen war, wie sie heute vielen erscheint. Die Autorin Susann Pásztor stellte ihren jüngsten Roman „Die Geschichte von Kat und Easy“ im Rahmen einer Lesung des Literarischen Zentrums am Dienstagabend vor.
Minutiös und mit vielen Detailkenntnissen schildert Susann Pásztor in ihrem jüngsten Roman die Ereignisse jenes Sommers in einer fiktiven Kleinstadt in Norddeutschland. Das ist jedoch nur der eine Erzählstrang, der zweite spielt knapp 50 Jahre später in der Gegenwart. Die beiden Protagonistinnen, ehemals beste Freundinnen, sind entsprechend älter geworden, hatten den Kontakt zueinander verloren, denn ein unausgesprochenes Geheimnis rund um einen tragischen Unfall hemmt und trennt beide. Weitab von dem Heimatort, auf Kreta, treffen sie sich, verbringen eine Woche miteinander und stellen sich ihrer Vergangenheit. Zwischen beide Zeitebenen schiebt sich noch eine dritte Erzählkomponente: Kat, die erfolgreiche Bloggerin, erhält Anfragen von Easy, die sie beantwortet und über die sich beide wieder annähern. Immer wenn sie im direkten Gespräch auf Kreta nicht weiterkommen, dann greifen beide zu dem scheinbar neutralen Medium des Blogs zurück und diskutieren öffentlich ihr Problem weiter. Feinfühlig und treffsicher spielt die Autorin mit den unterschiedlichsten Formen der Kommunikation, die heute selbstverständlich geworden sind: Man schreibt in einen Chat und erhält Antwort von einer Person auf die gleiche Weise, selbst wenn diese nur einen Raum weiter sitzt. Das schafft Distanz: Zwei Menschen, die wegen ihrer Unterschiedlichkeit einmal sehr eng miteinander verbunden waren, müssen sich manchmal dieses neuen und neutralen Mediums bedienen, um teilweise überhaupt weiter miteinander kommunizieren zu können. Ob sie sich nach ihrer gemeinsamen Zeit auf der Insel weiterhin begegnen oder sie sich weithin schreiben, das bleibt offen und das ist auch gut so.
An diesem klug durchkomponierten Roman arbeitete Pásztor rund vier Jahre und konnte dabei auf ihre eigenen Erinnerungsstränge zurückgreifen, wie sie in dem Gespräch mit der Moderatorin Lena Frewer erläuterte. „Ich bin 1957 geboren, bin in Soltau, in der Lüneburger Heide aufgewachsen und ich kann mich noch gut an das Jugendzentrum dort erinnern“, sagte sie im Laufe der Diskussion mit dem Publikum. Ebenso sind die Schilderungen des zweiten Schauplatzes, Kreta, nicht aus der Luft gegriffen: Pásztor ist häufig auf dieser Insel zu Gast. „Es steckt eine Menge Autobiografisches in beiden Personen. Das ist das Schöne beim Schreiben, dass man sich nicht auf eine Figur beschränken muss. Diese Zeit hat mich wahnsinnig geprägt. Wir waren experimentierfreudig und zugleich so verlogen und verklemmt damals“, sagte sie und ergänzte, dass man eigentlich nur etwas beschreiben könne, was man auch in irgendeiner Form erlebt habe. Die Idee dazu, die Hauptgeschichte in den 70er Jahren spielen zu lassen, sei ihr beim Schreiben ihres vorherigen Buches gekommen: Ihr fiel dabei auf, dass sie einmal über Teenager schreiben wolle, die nicht ständig mit dem Handy beschäftigt und nicht ständig in den sozialen Netzen unterwegs seien.
Für diesen unverstellten Blick auf die 70er Jahre bekam die Autorin viel Lob aus dem Publikum, da viele von ihnen diese Zeit genauso miterlebt hätten und sich in dem Geschriebenen wieder erkennen konnten: Seien es die ranzigen Matratzen in den autonomen Jugendzentren, die damals gerade entstanden, oder auch die selbstgedrehten Joints oder die Musik der 1970er Jahre.
Fazit: Eine Beschreibung der 70er Jahre, die aus diesem Blickwinkel von jungen 16-jährigen Mädchen noch nie so beschrieben wurden. Ein Buch, auf das viele gewartet haben.