Kunstforum der Technische Universität Darmstadt zeigt studentische Talente
Aus Offenbach, Frankfurt und Karlsruhe kommen Kunststudenten, die ihre Werke im Forum der Technischen Universität zeigen. „Radar“ heißt die neue Reihe, die Nachwuchs orten soll.
Von Stefan Benz
Kulturredaktion Darmstadt
Aus einem geheimen Loch in einem Aktenschrank späht der Zuschauer auf Danae Hoffmann und ihr stilisiertes Wohnzimmer, dahinter Malerei von Dominic Scharfenberg an der Wand. Isabell Ratzinger hat einen mechanischen Daumen konstruiert, der einen Kuli drückt und dadurch Bürobetriebsamkeit simuliert.
(Foto: Torsten Boor)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
DARMSTADT - Von außen betrachtet, ist es ein Aktenschrank, den Möbelpacker in einer Ecke des weiten Raumes wohl vergessen haben. Dass es sich um Kunst handeln mag, merkt man zunächst vor allem daran, dass Isabell Ratzinger daneben einen Nonsens-Apparat an die Wand geschraubt hat, bei dem ein Daumen einen Kugelschreiber drückt und somit Bürobetriebsamkeit simuliert.
Die heitere Betrachtung des Berufslebens hat aber eine düstere Rückseite. Wenn man den Saal des Kunstforums verlässt und im Alten Hauptgebäude der Technischen Universität den Nachbarraum aufsucht, steht man plötzlich hinter den Aktenschränken und spioniert durch zwei Gucklöcher in den Ausstellungsraum der „Radar“-Schau mit Arbeiten von sechs Kunststudenten hinein. Man mag an den Stasi-Film „Das Leben der Anderen“ denken, und tatsächlich blickt man auf die Abstraktion eines Wohnzimmers.
Danae Hoffman von der Kunstakademie Karlsruhe hat ein Eisenrohrgebilde mit Kunstfellschürze, das an eine Lampe erinnert, neben eine „Linguetta“ genannte rosafarbene Liege gestellt. Wobei die sexuelle Symbolik des Pseudomobiliars als Phallus und Lippen unübersehbar ist. Da kommt der Voyeur im Aktenschrank ja auf seine Kosten!
Aus einem geheimen Loch in einem Aktenschrank späht der Zuschauer auf Danae Hoffmann und ihr stilisiertes Wohnzimmer, dahinter Malerei von Dominic Scharfenberg an der Wand. Isabell Ratzinger hat einen mechanischen Daumen konstruiert, der einen Kuli drückt und dadurch Bürobetriebsamkeit simuliert. Foto: Torsten Boor
2
Es sind die Querverbindnungen, die dieser Ausstellung den Reiz verleihen, denn nicht jedes Exponat kann hier für sich selbst bestehen. Kuratorin Julia Reichelt präsentiert in der ersten Schau einer geplanten „Radar“-Reihe mit Arbeiten von Kunststudenten Parallelen in der Vielfalt der Stilmittel und Ausdruckformen. So lädt auch der englische Städelschul-Absolvent Guy Gormley den Betrachter seiner Installation „13a The Crescent“ dazu ein, verstohlen in ein verlassenes Interieur hinein zu spähen. Die grob gezimmerte Spanplatten-Box mit dem Namen einer beliebigen Postanschrift beherbergt im Inneren ein verkleinertes Zimmer mit verlassener Bettstatt, Fensterchen und Vorhang, Spiegel und Lampe. Man blinzelt durch Lüftungsschlitze, hört eine Klaviermusik, doch niemand ist zuhause. Unter der Adresse 13a The Crescent residiert die Einsamkeit.
DIE SCHAU
„Radar“ läuft bis 21. Oktober mittwochs bis sonntags 13 bis 18 Uhr im Alten Hauptgebäude der TU Darmstadt. Eröffnung ist am Samstag, 15. September, um 18 Uhr. Im Rahmenprogramm bestreiten die Künstler Führungen mit Zusatzprogrammen. Jonas Müller-Ahlheim macht am 21. September ab 18 Uhr den Anfang. (sb)
Neben Installationen und Skulpturen ist auch Malerei vertreten. Dominic Scharfenberg aus Karlsruhe zeigt Gemälde mit geschichtetem Aufbau aus Öl, Tusche und Kunstharz. Was düster wirkt, beginnt bei näherer Betrachtung verhalten von innen zu leuchten.
Sein Karlsruher Kommilitone Jonas Müller-Ahlheim hat neben den wuchtigen Holzcontainer sein mächtiges Stahlrelief „Fliegende Fliegen“ gehängt – der Titel bezieht sich auf das Phänomen „Mouches volantes“ von tanzenden und fließenden Erscheinungen vor dem Glaskörper des Auges. Obwohl das mit Plasmaschneider aufgeschlitzte Metallbild mit seinen Schraffuren vom Schweißgerät sechs Quadratmeter groß ist, wirkt hier nichts schwer, muten das Metall und die Wand dahinter eher wie Stoff und Papier an.
Müller-Ahlheim versteht sich auch auf Video. In einem kleinen Raum drei Ecken weiter auf derselben Etage wabert seine „Landschaft“ in Endlosschleife: ein computeranimiertes Rasenstück, das zu schwimmen scheint wie ein Rochen, zu schweben wie ein fliegender Teppich und das zugleich den tektonischen Faltenwurf eines Gebirges simulieren mag.
Der Weg in diese kleine Kunstkammer lohnt auch deshalb, weil man dort erneut auf Isabell Ratzinger von der Offenbacher Kunsthochschule trifft. Wieder hat sie einen Aktenschrank aufgestellt. Wieder kann man dahinter treten, doch hier gibt es keinen geheimen Durchblick, denn dies ist ein potemkinsches Büro. Nur Kulisse, die vollgestopften Akten sind hinten allesamt abgesägt. Die Verwaltung ist nur eine Simulation, was diese Kunst zur hintersinnigen Satire auf die Bürokratie macht.
Bei der ersten Ortung studentischer Talente im Kunstforum zeigt sich zwar kein herausragendes Werk, aber dafür erscheint verspielter Witz auf dem Radar.