Politische Standortbestimmung in Zeiten des Corona-Chaos: Mit seinem neuen Programm „Chaos“ begeistert der Mainzer in der Wiesbadener Schlachthof-Halle.
WIESBADEN. Wird der Abend mit einem ansprechend komponierten „Fuck you, Corona“ angestimmt und der „dummen Viren-Sau“ attestiert, dass sie einem zwar den Spaß, nicht jedoch den Humor nehmen könne, ist klar, wohin die Reise geht. Stand-up-Kabarettist Tobias Mann, mit seinem neuen Programm „Chaos“ im Kulturpark Schlachthof angekündigt, lässt das die Welt regierende Chaos außen vor – und widmet sich in der gerade mal zur Hälfte besetzten Halle einer politischen Standortbestimmung in Zeiten des Corona-Chaos.
Ja, meint er, das Virus sei gefährlich, und ja, Schutz sei notwendig. Wie viel Schutz genau? Über diese Frage, räumt Mann ein, könne gestritten werden. Nicht jedoch in einer Reihe mit Verschwörungstheoretikern und (rechts-)extremen Demonstranten.
Der Mundschutz sei doch nicht mit einem Maulkorb gleichzusetzen, empört sich der Satiriker mit ausgeprägtem komödiantischem Talent. Zur Gitarre sucht er „Hilmar“ mit „chill’ mal“ zu beruhigen, einem jener Wutbürger, die hinter allem und jedem, was „die da“ („wer auch immer das sein mag“) entscheiden, eine nicht gesetzeskonforme Einschränkung ihrer Rechte wittern. „Mehr Leichtigkeit, weniger Empörung“, lautet Manns Appell ans Publikum, das seine Zustimmung immer wieder mit Beifall bekundet.
Ob sich Hass („Fremdenhass kotzt mich an, und wo kommt der überhaupt her?“) tatsächlich mit Humor bekämpfen lässt? Man(n) darf zweifeln, aber Utopien sind auch in einer Zeit, da die Corona-Pandemie der Gesellschaft einen echten „Stress-Test“ beschert, legitim.
Ein erfolgreicher Influencer, so viel stellt Mann bei einem seiner seltenen Klavier-Exkurse fest, werde er nicht mehr. Überhaupt, das Internet. Gelingt es, ob der Flut unerträglicher Dumpfbacken-Polemik im Netz ruhig und gelassen zu bleiben…?
Trotz aller guten Vorsätze räumt der Kabarettist ein, schaffe auch er es nicht, sich das „du dumme Sau“ am Ende eines wohlfeilen Antworttextes zu verkneifen. Das Fazit des Trägers des Deutschen Kleinkunstpreises 2017: Er möchte dümmer werden. Also richtig dumm. So dumm, dass es gelänge, die Probleme dieser Welt zu ignorieren. Tobias Mann hat diesen Zustand eigenem Bekunden zufolge noch nicht erreicht. Nicht dumm genug, die Probleme unserer Zeit zu ignorieren, aber eben auch nicht schlau genug, um Lösungsvorschläge anbieten zu können.
Tobias Mann gibt sich realistisch: Diese „Zeiten der Unsicherheit“, die Gesellschaft ebenso wie die Politik fordern, werden so schnell nicht vorbei sein. Mit welchem Personal die Politik die Herausforderungen stemmen wolle? Mit Erheiterung quittieren die Schlachthof-Besucher die verbale Geringschätzung bei der Mann’schen Betrachtung des etwa für den CDU-Parteivorsitz zur Verfügung stehenden Personals. Aber das ist dann noch einmal ein ganz anderes Thema…