Inklusives Theaterlabor bringt „Hamlet“ auf die Bühne
Von Johannes Breckner
Redaktionsleiter Bergsträßer Echo
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DARMSTADT - Die Sache ist gefährlich. Zum ersten Mal bringt das Inklusive Theaterlabor einen Hund auf die Bühne. Nicht, dass Xena einen bissigen Eindruck machen würde. Aber lebende Tiere ziehen immer alle Aufmerksamkeit auf sich. „Sie hört auch auf den Namen Ophelia“, witzelt Nadja Soukup. Denn es geht um „Hamlet“, eines der berühmtesten Dramen der Weltliteratur, noch dazu eines, aus dem jeder Besucher mindestens ein Zitat kennt. „Sein oder Nichtsein“: Für den Regisseur Max Augenfeld hat dieser Satz eine besondere Bedeutung im inklusiven Ensemble, in dem Profi-Schauspieler mit beeinträchtigten Kollegen aus der Lebenshilfe Dieburg gemeinsam auf der Bühne stehen, und in Zeiten pränataler Diagnostik hätten manche von ihnen möglicherweise gar keine Chance auf das eigene Sein gehabt.
Ursprung in Zeiten des politischen Umsturzes
Soukup und Augenfeld haben eine eigene Fassung des klassischen Stoffes entwickelt. Seit Wochen schlüpfen im Probenraum auf dem Goebel-Gelände alle Darsteller mal in die Hamlet-Rolle, am 13. Januar ist Premiere im Theater Mollerhaus. Bisher hatte das inklusive Theaterlabor seine Stücke selbst entwickelt, jetzt sollte sich das Ensemble an einem klassischen Stoff reiben, findet Augenfeld. Zumal „Hamlet“ für ihn ein sehr aktuelles Stück ist und ein politisches dazu. Es ist in Zeiten politischer Umbrüche entstanden, lässt sich auf sehr unterschiedliche Situationen beziehen, und nicht nur im historischen Staate Dänemark ist etwas faul. Hamlet war auch das Thema eines parallel laufenden Theaterprojekts mit jungen Flüchtlingen, das sich locker mit der Inszenierung verbinden soll.
Denn so traditionell der Stoff ist, so wenig klassisch wird er auf die Bühne gebracht. Die Inszenierung beginnt mit dem Stück im Stück, in dem der Königsmord an Hamlets Vater offenbart wird. Die Schauspieltruppe erobert die Bühne, wieder spielt die Musik von Anka Hirsch eine wichtige Rolle in der Rhythmisierung der Szene. Mit dem forschen Gesang „Wir sind die besten Schauspieler der Welt“ ziehen die Darsteller ein, zitieren Renaissance-Tänze, versprechen Tragik, Historie und Komödie und sind in ihrer Haltung ein einziges Ausrufezeichen, das ein starkes Signal für den Auftakt setzt. „Durch die Kunst der Bühne mitten ins Herz getroffen“: Das ist die Verheißung dieses Beginns. Danach ereignet sich das Puppentheater, bei dem die Rollen doppelt besetzt sind – einer führt, der andere spielt.
„HANDICAPPED HAMLET“: SPATEN GESUCHT
Die Serie „Auf ein Neues“ berichtet, was Künstler und Kulturinstitute für 2018 planen. Die heutige Folge schildert die Arbeit von „Theaterlabor Inc.“: Die freie Theatergruppe um Max Augenfeld und Nadja Soukup arbeitet seit Jahren mit einem inklusiven Ensemble, in dem Schauspielprofis und Darsteller der Lebenshilfe Dieburg gemeinsam auf der Bühne stehen.
Premiere von „handicapped Hamlet“ ist am Samstag, 13. Januar, um 20 Uhr im Theater Mollerhaus in Darmstadt, danach folgen viele weitere Vorstellungen bis 9. März. Karten-Infos unter Telefon 06151-265 40 oder 06151-667 79 98.
Für die Totengräber-Szene sucht Bühnenbildner Matthias Bringmann noch Spaten – gerne alt und mit Gebrauchsspuren, aber noch funktionstüchtig. Wer seinen Spaten ans Theaterlabor verleihen möchte, wird gebeten, sich unter Telefon 069-13 81 70 52 zu melden. (job)
Eine Herausforderung für den Bühnenbildner
Dann aber wird die Spielsituation aufgelöst. In zwei Gruppen wird das Publikum durchs Theater Mollerhaus geführt und erlebt das Stück als Folge von Performances. Eine Herausforderung für den Bühnenbildner Matthias Bringmann. Manche Ecke im frisch sanierten Mollerhaus hat für ihn noch eine sterile Anmutung. Und er sah sich vor die Aufgabe gestellt, mit den knappen Mitteln einer freien Theatergruppe die Räume so zu verändern, dass Bilder und atmosphärische Szenen entstehen. Das Mollerhaus wird zum Schloss von Helsingör. „Es ist eher eine Installation als ein klassisches Bühnenbild“, sagt Bringmann, der zum ersten Mal mit dem Theaterlabor zusammenarbeitet. Videoprojektionen von Angelina Dalinger ergänzen die Szene, die Choreografien stammen von Jungyeon Kim, die während der Proben aber zurück reisen musste nach Korea.
Die vielen performativen Elemente kommen dem gemischten Ensemble mit seinen unterschiedlichen Talenten entgegen. Schon in früheren Theaterlabor-Produktionen haben die Darsteller viele eigene Ideen eingebracht. „Jetzt“, freut sich Augenfeld, „können sie sich an einem Text reiben.“ Und deshalb wird es nicht einen einzigen Hamlet-Monolog geben, sondern viele. Und die werden sehr unterschiedlich sein – „Hamlet frei nach Schnauze“, verspricht der Regisseur.