Die Gießener Malerin Ilse-Marie Weiß zeigt in der Praxis Greilich teils gegenständliche, teils abstrakte Bilder, die mit ihrer gar nicht unterschwelligen Kraft die Besucher...
GIESSEN. Die Kultur erobert sich ihre Wirkungsgebiete mit Macht zurück, auch die kleineren. So zeigt die Praxis Greilich jetzt nach langer Zeit wieder eine Kunstausstellung. Zu Gast ist die Gießener Malerin Ilse-Marie Weiß. Sie zeigt teils gegenständliche, teils abstrakte Bilder, die mit ihrer gar nicht unterschwelligen Kraft die Besucher der Schau deutlich beeindruckten, unterschieden in „Stimmung und Wirklichkeit“. Am Mittwoch war die gut besuchte Vernissage.
In die Praxis ging es zur Besichtigung in kleinen Gruppen und mit Maske, doch draußen im Garten konnte man mit Abstand auch von Angesicht zu Angesicht kommunizieren. Galeristin Ursula Greilich freute sich von ganzem Herzen, wieder Gäste begrüßen zu können: „Schön, dass Sie wieder den Weg zu uns gefunden haben, schließlich hat das jedem gefehlt.“
Ilse-Marie Weiß, Jahrgang 1944, stammt aus Gießen. Nach dem Abitur an der Ricarda-Huch-Schule studierte sie in Gießen Mathematik und Physik. Die Diplommathematikerin, ein Berufsstand, bei dem man gemeinhin keine besonderen kreativen Eigenschaften vermutet, hatte „nicht viel vom Kunstunterricht in der Schule“. Sie begann vielmehr im Uni-Atelier und an der Volkshochschule, intensiv Zeichnen und Malen zu lernen, dazu hatte sie schon als Kind eine deutliche Neigung verspürt. Sie war aber nicht streng auf bildende Kunst festgelegt: „Von 1996 an habe ich 14 Jahre lang für die Karnevalsfreunde Allendorf jährlich das neue Bühnenbild entworfen und mitgebaut und gemalt“, erinnert sie sich. Inzwischen fotografiert sie auch digital, „als Malerin“. Seit 2016 ist sie Mitglied im Kunst- und Kulturkreis Wettenberg. Dort waren ihre Arbeiten bislang mehrfach zu sehen, demnächst wird sie wieder ausstellen.
Grafikdesigner und Comiczeichner Hans-Michael Kirstein eröffnete auch dieses Mal wieder die Schau. Er sah in Weiß „eine Malerin, die sich mit großer Repertoiresicherheit verschiedenen Sujets widmet.“ Ihr Repertoire sei „spannend und interessant“. „Richtig gut, ja geradezu brillant“, werde die Künstlerin, „wenn sie in das Gestische übergeht“. Besonders attraktiv werde es, „wenn sie eintritt in den Kanon des Bewegten“. Er lobte jede Abwesenheit einer „geschmäcklerischen Art des Esoterischen“ und „den Eintritt in den Kanon des Wildbewegten“. Er lobte in ihren besonders energiereichen Bildern „ein Höchstmaß an Eigendefinition, das kaum noch zu toppen ist“. Das sei zu schätzen, „denn Sie gehen ins Kosmische, aber Sie irrlichtern nicht“.
Es gibt zwei Werkgruppen in dieser Schau. Das sind einmal die konkreten Arbeiten, in denen Ilse-Marie Weiß teils herausragende Kompetenz im Umgang mit Licht an den Tag legt („Am Alten Schloss“). Des Weiteren stattet sie eine leicht abstrahiert gemalte hessische Landschaft („Blick von Königsberg ins Lahntal“) mit einer geradezu mediterranen Stimmung aus. Zu den stärksten Werken gehört ihr „Komet“. Der saust vor einem geradezu magisch leuchtend blauen Sternennebel in verrückten Kurven mit einer Energie durchs All, die nichts weniger als herausragend inszeniert ist. Zudem sieht das unerhört ästhetisch aus. Und die Farbintensität ihrer „Frühlingstulpen“ fügt dem Empfangsraum eine sanfte Energie hinzu, die auch nicht von schlechten Eltern ist.