Franz Vitzthum zählt zu den großen Countertenören, am Sonntag kommt er nach Darmstadt
Von Susanne Döring
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DARMSTADT - "Jeder kann singen, und jeder kann auch im Falsett singen", sagt Franz Vitzthum über seine Entscheidung, Countertenor zu werden. Die Frage sei ganz einfach nur, ob es gut klinge oder nicht, und da habe sich für ihn recht bald nach dem Abitur herausgestellt, dass für ihn persönlich das Singen in der Kopfstimme genau der richtige Weg gewesen sei. Aber auch wenn er somit einer natürlichen Gabe gefolgt sei, hätten sich Countertenöre immer noch und wieder zu rechtfertigen. Zwar hat sich das Metier der Countertenöre in der Barockmusik mittlerweile etabliert, doch müssen sich diese Sänger immer wieder fragen lassen, wie männlich es sei, mit hoher Stimme zu singen. Daher sei es schon auch eine Identifikationsfrage, mit der er sich beschäftige, erzählt der Sänger, der gerade von einem Barockfestival in Finnland zurückgekehrt ist.
Entdeckt und gefördert wurde diese Gabe des vielgefragten Virtuosen bei einem Workshop des Hilliard-Ensembles, das sich ab 1974 in Großbritannien der historischen Aufführungspraxis widmete. So entwickelte sich Vitzthum vom Knabensopran über den Tenor zum Countertenor in der Stimmlage eines tiefen Mezzosoprans. Doch schon zuvor bestimmte Musik das Leben von Franz Vitzthum. In Weiden in der Oberpfalz geboren, wuchs Vitzthum in Lennesrieth bei Waldthurn in einer musikalischen Familie auf. Sein Vater spielte Tuba, die Schwestern Hackbrett, es war also die Volksmusik, mit der Vitzthum zuerst in Kontakt kam.
Auf Umwegen zum Musikberuf
Die Entscheidung, ab der vierten Klasse in das Internat der Regensburger Domspatzen zu gehen, fand die Unterstützung des Vaters, und Vitzthum lobt, dass es bei den Domspatzen nicht nur ums Singen gegangen sei, sondern auch drumherum viel Musik gemacht wurde, bei der er Geige spielte. Inzwischen fällt ein Schatten auf die Pädagogik bei den traditionsreichen Regensburger Domspatzen. Vitzthum selbst war nicht betroffen von körperlichen Misshandlungen, aber seine Gedanken sind bei den Opfern. Unter den Ehemaligen würde viel über die Vergangenheit gesprochen, es sei gut, dass es jetzt eine umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in dem katholischen Chor gebe.
KONZERT IN DARMSTADT
Als Teamworker ist Vitzthum bei dem Konzert am Sonntag, 20. August, in der Darmstadt-Arheilger Auferstehungskirche unterwegs. Im Rahmen eines Reformationszyklus' wird er zusammen mit Dorothee Wohlgemuth (Sopran), Max Ciolek (Tenor) Ekkehard Abele (Bass) und dem Main-Barockorchester Frankfurt unter der Leitung von Burkhard Engelke Werke von Nikolaus Bruhns, Johann Christoph Bach und Johann Sebastian Bach interpretieren.
Unter dem Titel "Welt, gute Nacht" stehen protestantische Trauerkantaten der Barockzeit im Fokus dieses Programms.
Das Konzert beginnt um 17 Uhr, Vorverkauf beim Darmstadt-Shop im Luisencenter und im Gemeindebüro der Auferstehungsgemeinde. (anne)
Nach dem Abitur dauerte es eine Weile, bis Vitzthum sich entschloss, den Weg als Berufsmusiker zu gehen. Zunächst studierte er Germanistik und Pädagogik und begann erst dann sein Gesangsstudium an der Kölner Musikhochschule bei Kai Wessel, das er 2007 beendete. Schon 2001 hatte er das Ensemble Stimmwerck mitgegründet, dessen vier Sänger sich vor allem der Musik der Renaissance widmen. Seit 2005 gibt es die "Stimmwercktage", ein kleines Festival mit internationalen Gästen, das jährlich auf dem Adlersberg bei Regensburg stattfindet.
Vitzthum, der mit seiner Frau und zwei Kindern in der Nähe von Heidelberg lebt, ist ein Teamplayer. Unter seinen zahlreichen CD-Einspielungen sind die allermeisten Ensemble-Produktionen. Zuletzt erschien aber seine dritte Solo-CD mit Lautenliedern aus der Reformationszeit. Mit diesem Programm hat er den Nerv der Zeit getroffen, rund zwanzig Mal wird er die Lieder zusammen mit dem Lautenisten Julian Behr in diesem Jahr in Konzerten aufführen. Ungewöhnliche, mit viel Liebe zum Detail zusammengestellte Programme sind für den Sänger, der in engem Kontakt zu Musikwissenschaftlern steht, besonders wichtig. Da kommt es dann auch zu bisher nicht eingespielten Entdeckungen wie die Arie "Ich fürchte keinen Tod auf Erden" von Johann Augustin Kobelius, auf die ihn die Nachfahren des Komponisten aufmerksam machten und die nun auf der CD "Himmels-Lieder" zu hören ist.
Auch wenn der Sänger sich auf die Renaissance- und Barockmusik spezialisiert hat, wird zeitgenössische Musik immer bedeutender für ihn. So hat der Komponist Max Beckschäfer, der bei den diesjährigen "Stimmwercktagen" als Composer in Residence mitwirkte, ihm bereits einige Kompositionen gewidmet.