Filmkritik: Familiendrama „Blackbird“ ist prominent besetzt

Lily (Susan Sarandon) will von eigener Hand sterben, bevor die Krankheit sie dahinrafft. Ihr Mann (Sam Neill) ist ihr dabei eine starker Halt. Foto: Leonine
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Lily will sterben und holt ihre Lieben für ein letztes gemeinsames Wochenende zusammen. Mit Susan Sarandon, Kate Winslet, Sam Neill und Mia Wasikowska.

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. Das Erntedankfest ist im US-Kino immer ein guter Anlass, um beim Familientreffen den Truthahn auf den Tisch zu bringen und alle alten Probleme unterm Teppich hervorzukehren. Auch Lily (Susan Sarandon) hat all ihre Lieben zusammengetrommelt, doch sie will lieber Weihnachten feiern, obwohl das Fest noch fern ist. Aber sie wird es nicht mehr erleben. Lily leidet an einer unheilbaren Nervenerkrankung. In den Beinen fehlt die Kraft, die Hände krampfen, im Bett braucht sie Sauerstoff. Deshalb will die todkranke Frau ihrem Leben an diesem Wochenende selbst ein Ende setzen. Doch vorher wird gefeiert.

Natürlich ist das anrührend, wie Regisseur Roger Mitchell („Notting Hill“) im Familiendrama „Blackbird“ mit einem Menschen bekannt macht, um dann sogleich Abschied zu nehmen. Zumal das Ensemble handverlesen ist: Susan Sarandon verkörpert Lilys Selbstkontrolle mit tapferem Lächeln. Sie und Paul (Sam Neill mit der Gelassenheit des Alters) leben in einer Villa am Strand von Long Island. Hier lässt es sich schöner wohnen und auch stilvoll sterben. Die gemeinsame Jugendfreundin Liz (Lindsay Duncan) steuert Lebenserfahrung und Weisheit bei und gehört offenbar irgendwie auch schon zur Einrichtung.

Am letzten Abend zieht Lily noch mal ihr schönstes Kleid an. Bald ist der gute Pinot Noir entkorkt, und es kreist der Joint. Die jüngere Tochter Anna (Mia Wasikowska), die mit ihrer On-Off-Freundin Chris (Bex Taylor-Klaus) angereist ist, kommt mit dem Todeswunsch ihrer Mutter gar nicht zurecht. Die Spießer-Schwester Jennifer (Kate Winslet steht die Brille zum strengen Auftritt) hingegen will Mama alles recht machen. Ihr pummeliger Ehemann Michael (Rainn Wilson) fügt sich spur- und willenlos ins Familiengefüge. Sohn Jonathan (Anson Boon) ist erst pubertär verlegen, vertraut sich dann aber seiner Oma an.

Klassisches Personal für ein Drama des psychologischen Realismus, das so auch auf der Bühne spielen könnte, dessen Vorlage aber aus dem dänischen Kino stammt: Bille August drehte 2014 die Vorlage „Silent Heart“. Kein denkwürdiger Film, aber eben ein dankbares Thema. Zu solch einer Geschichte der letzten Dinge gehört natürlich auch das lang gehütete Geheimnis und die Lebenslüge. Das kommt in diesem Hundertminüter aber erst nach einer Stunde auf den Tisch. Vorher erleben wir Lily als Oberspielleiterin des eigenen Familiendramas zwischen Leben und Tod, die alle anderen freundlich, aber bestimmt zu Edelstatisten ihres Abgangs macht. Susan Sarandon verleiht diesem entschiedenen Auftritt eine zarte Traurigkeit.

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Das ist zwar Schauspielerkino auf gehobenem Niveau, doch begnügt sich die Regie zu lange mit dieser Qualität. Beim Abschiedsessen kommen erst zum Nachtisch die Konflikte auf den Tisch. Wie schnell Mutter die feinen Risse kittet und den ersten Streit wegmoderiert, ist fast schon atemberaubend. Es passt aber auch zu einem Haus, das so perfekt eingerichtet und aufgeräumt ist. Unterm Teppich ist da jedenfalls nicht viel zu holen.