Cellist Sheku Kanneh-Mason und seine Schwester Isata begeistern beim Rheingau Musik Festival auf Schloss Johannisberg
GEISENHEIM. Allerwelts-Programme sind nicht ihr Ding. Mit Werken des frühen 20. Jahrhunderts sorgten der Cellist Sheku Kanneh-Mason und seine Schwester Isata am Klavier für einen kammermusikalischen Paukenschlag beim Rheingau Musik Festival. Im voll besetzten Konzert-Kubus auf Schloss Johannisberg wurde das junge britische Duo begeistert gefeiert.
Wegen Corona-bedingter Konzertflaute im vergangenen Jahr erhielt der schon meisterlich auftrumpfende Cellist den Lotto-Förderpreis 2020 des Festivals an diesem Abend überreicht, mit 15 000 Euro dotiert.
Bereits 2018 hatte der 22 Jahre junge Kanneh-Mason sein Debüt beim Rheingau Musik Festival mit dem Cello-Konzert von Haydn. Der Auftritt bei der Hochzeit des illustren Paares Harry und Meghan, Duke und Duchess von Sussex, im gleichen Jahr dürfte seiner steil ansteigenden Karriere ebenfalls nicht geschadet haben.
Dass Britanniens Geschwisterpaar offenbar gern ins Risiko geht, zeigt im akustisch wohltemperierten Konzertkubus ein beziehungsreiches Programm mit Werken von Rachmaninow, Frank Bridge und Benjamin Britten, die vehement aus dem Archivschlaf geweckt werden.
Von Frank Bridge (1879-1941), dem britischen Spätromantiker mit Modernisten-Ambition, stammt das Eingangswerk, die Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll. Weitgespannte melodiöse Bögen auf dem ehrwürdigen Amati-Cello werden von satter Harmonik am Klavier gestützt und befeuert, ein leidenschaftlicher romantischer Erguss.
Schon hier verblüfft die unglaubliche Kraft, mit der die so zart wirkende Pianistin so manche Akkordballung entwickelt. Ausblicke in den musikalischen Impressionismus hält Bridge im Adagio bereit, ein Präludieren des Violoncellos auf feiner Klangchemie. Ehe eine wilde Hatz auf Tasten und Saiten das effektvolle Finale einleitet.
Dramaturgisch geschickt platziert zwischen gewichtigen Sonatenblöcken sind musikalische Kurzgeschichten wie „Spring Song“, Melodie und Scherzo, Petitessen des Frank Bridge. Oder zwei Romanzen des Bridge-Zeitgenossen Sergei Rachmaninow (1873-1976), den in „Muza“ die Muse sanft geküsst hat und dessen „Auf keinen Fall“ nach rigorosem Auftakt klanglich förmlich dahinschmilzt. Respekt, wie hier das Geschwisterpaar Spannung aus kleinster Motivzelle entwickelt.
Gleichsam Aufgalopp zu Benjamin Brittens (1913-1976) Sonate für Violoncello und Klavier C-Dur ist „Tema Sacher“, ein mit vielen Doppelgriffen gespicktes Solostück, Thema eines Kompositionsprojekts des Bridge-Schülers und Verehrers zum 70. Geburtstag des Schweizer Musikmäzens Paul Sacher. Vom Violoncello-Genius Rostropowitsch angeregt, der auch Brittens Sonate aus der Taufe hob. Ein Werk, das nicht nur an den Grenzen der Tonalität lustwandelt, sondern auch die Klangfarben des Violoncellos – gleichermaßen spröde und süffig – gründlich ausreizt. Mit den aufregend, aber ungemein sicher aufspielenden Geschwistern schwelgt man in wohligen melodiösen Sphären, wird überrascht von einem gespenstischen klanglichen Szenario, von reizvollen Pizzikati und einem auch rhythmisch hinreißenden Perpetuum.
Zur Abregung diente schließlich die Zugabe, eine weitere Rachmaninow-Romanze aus op. 34.
Von Klaus Ackermann