„Die Toten von Marnow“ – eine spannende Krimi-Serie im TV

Antihelden ermitteln im ARD-Vierteiler vom 13. bis 18. März an der Mecklenburgischen Seenplatte. Beginn ist jeweils um 20.15 Uhr. Foto: Philip Sichler/dpa
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Antihelden ermitteln im ARD-Vierteiler vom 13. bis 18. März an der Mecklenburgischen Seenplatte. Beginn ist jeweils um 20.15 Uhr.

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. Hitze flirrt im lichten Wald, der See glänzt unter der Sonne, die Menschen auf dem Campingplatz bei Marnow hängen mürbe an der Bierflasche, als aus Schwerin sich ein neues Ermittlerpaar einquartiert. Frank Elling, selbst von seiner Frau nur „Elling“ genannt und Lona Mendt, wild frisiert und ungeschminkt gespielt von Petra Schmidt-Schaller, schnell mit der Hand am Waffenhalfter und mit dem Körper am Praktikanten. Sascha Gersak spielt Elling, im Hauptberuf gutmütiger Familienvater und besorgter Sohn einer dementen Mutter, eher nebenbei Polizeihauptkommissar, der so grobschlächtig aussieht, wie sein Gemüt zartbesaitet und ein bisschen naiv ist. Gegensätze bilden das Paar im vierteiligen Thriller mit Familiengeschichten „Die Toten von Marnow“ wie üblich – dennoch sind beide Figuren hier von starker Individualität. Sie werden – wie schön – keine Sympathieträger, sondern bleiben in ihren Verletzlichkeiten nah am wirklichen Leben. Elling ist erpressbar, und Lona schlägt zurück …

Lona Mendt (Petra Schmidt-Schaller) in einer Filmszene aus „Die Toten von Marnow“. Foto: Philipp Sichler/NDR/Polyphon/dpa

Andreas Herzog, Krimi-Profi als Regisseur, hat mit Holger Karsten Schmidt einen Drehbuchautor, der die Story langsam und stimmungsvoll vorantreibt mit Umwegen über so manche Leiche und unvorhersehbare Komplikation bis hin zum Skandal menschlicher Versuchskaninchen für eine Pharmaindustrie zwischen Alt-DDR und damaligem Westdeutschland. Wer weiß, zu welchen Machenschaften der Covid-Impfstoff-Handel heutzutage bereit wäre? Im Film jedenfalls sind alte Stasi-Geheimbündler noch unterwegs, als ein bestialischer Mord das Ermittlerpaar zunächst auf eine falsche Fährte und dann auf einen dornigen, mit Blut und Anfechtung besudelten Weg ans Wasser der Mecklenburgischen Seenplatte und in die lichten Wälder der Umgebung schickt.

Im Produktionsteam glänzt die Kameraführung des Philipp Sichler, der eine friedliche Landschaft in Kontrast zum schamlosen Komplott setzt, federn Martin Tingvalls Kompositionen suggestiv die Handlung ab und überbrücken das Schweigen, das wohltuend zwischen den beiden Ermittelnden herrscht. Selten wird in Krimis so oft nichts gesagt – und steht doch alles in den Gesichtern. Auch einer grandiosen Christine Schorn als hellsichtig demente Elling-Mutter, in Michael Mendls Nussknacker-Miene als Dunkelmann im Hintergrund, Jörg Schüttauf als blondem Fiesling und, und, und … In bewusst gewähltem Cinemascope-Format wettstreitet die grandiose natürliche Umwelt der Seenplatte mit der verletzlichen, verführbaren und rachsüchtigen menschlichen Natur. Das Ermittler-Duo selbst macht sich schuldig (was ist Recht und was Gerechtigkeit?) und versucht, sich gegenseitig aus dem Schlamassel herauszuhelfen. Ihre Solidarität ist ihre Stärke, und Lonas Wohnmobil eine Zuflucht, während Ellings properes Einfamilienhaus mit Swimmingpool Idylle nur vortäuscht. Auch die Probleme der Täter sind familiäre – da kommen sich beide Seiten fatal nahe, auch im Zerstörungswillen. Waffen haben sie alle parat, wenn nach der verräterischen damaligen Patientenliste gefahndet wird. Vor mörderischen Anschlägen sind weder die Polizistin noch die Polizistenfamilie gefeit – und da gibt es ja noch ein Anhörungsverfahren, vor dem sich Elling wegen möglicher Bestechlichkeit zu verantworten hat. Lona, die gute Schwimmerin, hatte indessen eine probate Lösung gefunden …

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Trotz aller Kehlenschnitte und allem Kugelhagel wird das Publikum wünschen, dass die beiden Antihelden-Figuren – wie verwundet auch immer – überleben und es bis zum Ende der vierten und letzten Folge schaffen werden, wenn denn nicht Elling final noch einmal seine Waffe zieht, während Lona ihre Vergangenheit gesteht.

Bis dass ganz am Ende der Song „Redemption“ (Erlösung) angestimmt werden kann, haben wir vier mal 90 Minuten lang innerhalb von sechs Tagen einen fintenreichen Krimiverlauf, spannende innere Kämpfe, verschlossene Charaktere und offene Genrebilder gesehen und vor allem einem hochprofessionellen Produktionsteam und einer wunderbaren Schauspielcrew zugeschaut. Lohnend.