Der Rundgang folgt später

Die Studie zur Farbigkeit des „Treu-Kopfes“ aus dem 2. Jahrhundert ist Teil des Katalogs zur Ausstellung „Bunte Götter“. Foto: Liebieghaus/Norbert Miguletz
© Liebieghaus/Norbert Miguletz

Frankfurts Museen sind zu derzeit. Doch die Kataloge zu den aktuellen Ausstellungen bieten ein Lesevergnügen mit Aussicht auf bessere Zeiten.

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DARMSTADT. Der Uralt-Hit aus dem Radio passt. „Oh, yes, it’s Ladies Night“ jubeln Kool & the Gang während der Lesestunden im Katalog zur Schau „Fantastische Frauen“ in der Frankfurter Schirn, und das Selbstexperiment scheint ein Erfolg zu sein.

Denn natürlich ist auch die Schirn wie alle Ausstellungshäuser bis 19. April geschlossen. Doch jetzt ist die Zeit, Kataloge nicht erst nach dem Ausstellungsbesuch der spannenden Frankfurter Präsentationen zu kaufen. Man kann sie schon davor im Buchhandel bestellen und mit Vergnügen darin lesen – besser „gerüstet“ ist man vielleicht nie in eine Ausstellung gegangen.

Zumal beispielsweise die „Fantastischen Frauen“ ja noch bis 24. Mai gezeigt werden, und der dicke Wälzer tatsächlich das erste Standardwerk über die Surrealistinnen des 20. Jahrhunderts und deren internationale Netzwerke ist. In der männerdominierten Kunstwelt wurden diese 34 Künstlerinnen aus Europa, den USA und Mexiko (bis auf Ausnahmen wie Frida Kahlo) irgendwie „vergessen“, wie Ingrid Pfeiffer, die Ausstellungskuratorin und Herausgeberin des Buchs (Hirmer Verlag, 420 Seiten, 350 Abbildungen, 49,90 Euro ISBN: 978-3-7774-3413-1), in ihrem Text herausarbeitet. Es folgen Artikel zu einzelnen Künstlerinnen, aber auch zu den Ideen der „weiblichen“ surrealistischen Fotografie. Am Ende sind die Biografien der Ausgestellten zu finden – die nun nicht mehr vergessen werden.

Ein wahrer Luxusband ist zur Schau „Bunte Götter – Golden Edition“ im Frankfurter Liebieghaus erschienen, die bis 30. August läuft. Der Katalog (Prestel Verlag, 280 Seiten, 390 Abbildungen, 49 Euro, ISBN 978-3-7913-5936-6) fasst elegant aufgemacht zusammen, was internationale Wissenschaftler über die einst nicht marmorweißen oder bronzebraunen, sondern stattdessen lebhaft bemalten Plastiken der Antike herausgefunden haben. Es schreiben Experten wie Vinzenz Brinkmann und Ulrike Koch-Brinkmann, die Herausgeber des Buches: Das Ehepaar erforscht die verschwundene Polychromie seit über 30 Jahren mit moderner visueller Technik und in Experimenten am Doppel des heute farblosen Originals. Im Buch werden ihre Arbeitsmethoden und Erfolge an vielen Beispielen deutlich, man erfährt aber auch, warum auf diesem Gebiet manche Frage offenbleiben muss.

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„Die Neue Heimat“ ist bis 11. Oktober Thema im Deutschen Architekturmuseum. Doch dürfte das Buch dazu (Edition Detail, 236 Seiten, 235 Abbildungen, 29,90 Euro, ISBN 978-3-95553-476-9) die Ausstellung überdauern. Denn was darin über diese „Sozialdemokratische Utopie und ihre Bauten“ (so der Untertitel) zu erfahren ist, ist mehr als die Aufarbeitung der Geschichte einer legendären Baugesellschaft. In diesem Rückblick geht es zugleich um die Zukunft unserer Städte. Wohnungsnot ist heute ein gesellschaftliches Problem – wie 1950, als der Siegeszug der gewerkschaftseigenen Baugesellschaft begann. In den 32 Jahren ihres Bestehens hat die „Neue Heimat“ etwa 460 000 Wohneinheiten errichtet, wobei die geschmähten „Trabantenstädte“ entstanden. Den Autoren gelingt es, den Blick zu weiten: Verdammen genügt nicht. Denn das Konzept der „Neuen Heimat“ bietet Ansatzpunkte, um moderne Wohnungen sowohl bezahlbar als auch ökologisch vertretbar zu errichten.

Von Annette Krämer-Alig