Trio Marvin überzeugt mit feinsten klanglichen Schattierungen und Vokalensemble Singer Pur mit spanischer und portugiesischer Renaissance-Musik.
WIESBADEN/ERBACH. Schlechte Zeiten – besonders für handgemachte klassische Musik. Das Rheingau Musik Festival hat alle Konzerte abgesagt. Aber die Burghofspiele im Rheingau bieten unter den erschwerten Bedingungen zehn Konzerte an. Unter den bereits vergangenen waren das Rheingau-Debüt des Trio Marvin und das bereits sechste Gastspiel des Vokalensembles Singer Pur.
Grusel-Gänsehaut des „Geistertrios“ gelungen
Das Trio Marvin hat seit seiner Gründung 2016 so einige internationale Preise abgesahnt. Kürzlich erschien seine erste CD, „Echoes of War“, mit Kompositionen von Mieczysław Weinberg und Dmitri Schostakowitsch. Sein Konzert im Christian-Zais-Saal im Wiesbadener Kurhaus begann mit der Sonate e-Moll Wq 89/3 von Carl Philipp Emanuel Bach. Darin überzeugte Pianistin Vita Kan mit sanglichem Spiel und weit ausladenden Spannungsbögen. Im Klaviertrio D-Dur op. 70/1 von Beethoven gelang den drei Musikern jene Grusel-Gänsehaut, dem das Werk seinen Beinamen „Geistertrio“ verdankt. Ihre vorbehaltlose Einsatzbereitschaft zeigten die drei Musiker auch in Schuberts spätem Klaviertrio in Es-Dur op. 100 D 92.
In den reichen klanglichen Schattierungen spürte man die Lehrzeit des Trios beim Artemis Quartett. Wieder und wieder bezauberte der Geigenklang von Marina Grauman: Mittlerweile ist sie Erste Konzertmeisterin im Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Cellist Marius Urba ist festes Mitglied der Bamberger Symphoniker. Das von einem schwedischen Volkslied geprägte Thema des Zweiten Satzes gelang ihm so treffend, dass es als Ohrwurm durch den Rest des Abends begleitete.
In der Markuskirche in Erbach präsentierte das einst von ehemaligen Regensburger Domspatzen gegründete Gesangsensemble Singer Pur sein Programm „Música Ibérica“ mit Gesängen von spanischen und portugiesischen Komponisten aus Mittelalter und Renaissance: kunstvolle Geflechte aus bis zu sechs selbständig geführten Stimmen. Sopranistin Claudia Reinhard, die Tenöre Christian Meister, Markus Zapp und Manuel Warwitz, Bariton Jakob Steiner und Bass Marcus Schmidl sangen so stimmig, dass man sich beim Zuhören fühlte wie ein Instrument, das in Harmonie mit dem Universum gestimmt wird.
Es gab auch herzhaft Folkloristisches, zu dem Marcus Schmidl das Tamburin schlug. Und Launiges: eine „Ensalada“, eine typische Musizierform der Renaissance in Spanien, die als unterhaltsamer Mischmasch aus verschiedenen Melodien, Sprachen und Stilebenen eine Geschichte mit moralischer Botschaft erzählt. Die Ensalada „La bomba“ von dem katalanischen Komponisten Mateu Fletxa el Vell (1481-1553) berichtet von einem Schiffbruch, mit panischem Geschrei nach der Pumpe (bomba) und in Todesangst gefassten Vorsätzen, wie: Wenn ich überlebe, pilgere ich nach Jerusalem, ganz bestimmt! Als ein anderes Schiff die Schiffbrüchigen aufnimmt, sind alle guten Vorsätze mehr als vergessen. Schließlich krönt den „Salat“ das Fazit: Schlechte Freunde sind gefährlicher als das Meer.
Alle Künstler haben auf einen Teil ihres Honorars verzichtet, um die Konzerte zu ermöglichen. Bruno M. Brogsitter, Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Burghofspiele, schreibt in keinem der Konzerte auch nur eine schwarze Null. Warum macht er das? Seine Antwort: „Aus Lust an der Freude“.
Von Doris Kösterke