Die französische Musikerin Nina Attal mixt in der Darmstädter Centralstation Rock, Funk und Pop zu einer munteren Mischung
DARMSTADT - Nina Attal setzt zum Solo an und geht schnurstracks von der Bühne. Kurze Irritation. Dann entert sie, mit der E-Gitarre im Anschlag weiter Solo spielend, das Publikum. Dass der Zuschauerpulk vor ihr in der höchstens zu einem Drittel gefüllten Centralstation-Halle mehr als überschaubar ist, ist in dem Moment günstig, denn so kann die sympathische Französin zu fast jedem in Kontakt treten. Weiter Solo spielend, tänzelt sie im Pulk herum, lehnt sich einigen Zuschauern entgegen, Selfies werden geschossen. Voll nett, echt.
Französische Sängerin ist ständig in Bewegung
Von Anfang an im Animationsmodus ist die junge Musikerin, Sängerin und Songwriterin bei ihrem Darmstädter Auftritt mit Band am Mittwochabend im Rahmen der Europatour zu ihrem dritten Album „Jump“. Der Titel ist Programm. Die sympathische Mittzwanzigerin ist ständig in Bewegung. Sie hüpft und zuckt, kickt manch satten Akkord beim Spielen parallel mit einem ihrer Glitzerboots in die Luft, und die hüftlangen Haare fliegen sowieso ständig mit ihrem Gitarrenspiel um die Wette.
Etwas Sprunghaftes hat der Auftritt des aufstrebenden Nachwuchssternchens am französischen Rock-, Blues- und auch Jazzhimmel, und das liegt nicht nur an ihrer fetzigen Art. In ihrer Musik mixt sie Rock, Funk, R`n`B und Pop zu einer munteren Mischung, die Songs sind gespickt mit Breaks und Bridges bei diversen Stil- und Rhythmuswechseln. Das macht das Ganze abwechslungsreich, kommt live aber teils so ungestüm daher, dass nicht jeder Gitarrengriff sauber sitzt und manche Gesangslinie in der Hitze des Live-Rauschs noch nicht zu Ende gesungen ist, bevor der Kopf wieder vom Mikro weggerissen wird.
Mit Leidenschaft beackert Nina Attal die Tabulaturen des Rocks und ist auch von den Posen der Vorbilder wie Lenny Kravitz, Steve Ray Vaughan oder Prince geprägt. Ihre Gitarrensolos sind so zupackend und versiert gespielt, dass sie dabei locker auf die Knie fallen und, sich räkelnd, weiterspielen kann. Derlei Szenen hat man schon oft erlebt, aber vollzogen von einem so jungen, weiblichen Guitar-Hero ist das durchaus etwas Besonderes.
Altbacken wirkt das schon deshalb nicht, weil die junge Französin im Kreise ihrer drei Mitmusiker jede Menge moderne Elemente in ihre Musik einfließen lässt. Da wird auch mal gerappt, und ihr Ehemann Anthony Honnet streut an einem mehrstufigen Keyboardreck kreativ jede Menge elektronische Einsprengsel ein. Das macht die Musik poppiger, den Sound synthetischer. Auch Attals Stimme klingt oft eher mädchenhaft als satt, und sie lässt die Gitarre beim Singen häufig einfach vor sich hängen. Doch nicht zuletzt das engagierte Spiel ihres virtuosen Co-Gitarristen Benjamin Delarue befeuert immer wieder furiose Rockmomente, angetrieben von Schlagzeuger Dary Honnet.
Als Nina Attal nach dem Ausflug ins Publikum auf die Bühne zurückkehrt, folgt noch ein schöner Überraschungsmoment: Die ganze Band hört abrupt auf zu spielen und fällt vornübergebeugt in eine stille Starre. Für viele Sekunden. Könnte durchaus als besonders intensive Verbeugung vor dem Publikum gemeint sein, denn kaum eine Musikerin hat den Zuschauern bislang mehr gedankt fürs Dasein. Voll nett, echt.